Adelbert von Chamisso
Der arme Sünder
Fragment
Zu Grüneberg in der längsten Nacht,
In später Geisterstunde,
Erbrauset mit Schneegestöber der Sturm,
Die Eule kreischet im alten Turm,
Und ängstlich winseln die Hunde.
Im untern Dorf in des Schulzen Haus
Vermehret ein Traum das Grauen;
Die Frau schreit auf: Mein Kind! mein Kind!
Auf, Vater, auf! Zum Förster geschwind,
Nach unserm Sohne zu schauen! -
Was sollte dem Burschen geschehen sein?
Verscheuche mit Beten die Träume.
Zum Förster ists weit, der Pfad ist verschneit,
Schlaf ein! schlaf ein! s ist Schlafenszeit,
Es sind ja Träume nur Schäume. -
Unsägliches muß ihm geschehen sein,
0 Vater, bedenke das Ende!
Er saß im Bette verstört und bleich
Und rang, dem armen Sünder gleich,
Verzweiflungsvoll die Hände.
Es grauset dem Vater bei solchem Wort,
Da will er den Gang doch wagen,
Er kleidet sich an, er eilet hinaus
Durch Nacht und Sturm nach dem Jägerhaus,
Nach seinem Kinde zu fragen.
Die Nacht ist schaurig und finster und kalt,
Von Angst das Herz ihm beklommen,
Am alten Turm da kreischt es und pfeift,
Ihn höhnt der Sturm, der den Wald durchstreift,
Als heult er: Zu späte gekommen!
Kaum atmend erreicht er das Haus und beginnt
An Türen und Fenster zu schlagen:
Wach auf, du Förster! und öffne mir bald!
Ist hier mein Jürgen, oder im Wald?
Was hat sich zugetragen?
Der läßt ihn ein, er fragt ihn aus,
Es will ihn seltsam bedunken:
Dein Jürgen schläft. Gesund und rot
Hat gestern er noch zum Abendbrot
Gegessen wie zwei und getrunken. -
Ich will ihn sehn! ich muß ihn sehn!
Den Förster rührt der Jammer.
Er treppenhinauf mit dem Alten steigt,
Er öffnet die Türe, die da sich zeigt,
Er leuchtet in die Kammer.
Und, was sie sehen -! es sträubt sich ihr Haar
Zu Berge, sie stehen versteinet.
Der sitzt im Bette verstört und bleich
Und ringt, dem armen Sünder gleich,
Die Hände verzweifelnd und weinet.
Was ist geschehn? - Nichts! nichts! hinweg!
Oh, sprich! was hast du begangen?
Ich kanns nicht sagen! - Entdeck es uns nur,
Wir schwören dir hier den heiligsten Schwur,
Du sollst Vergebung erlangen. -
Oh, wie ihr doch zudringlich seid!
Und wollt ihrs und müßt ihr es wissen,
Ich hab - ich weiß nicht, wie es kam,
Ich hab - es überfällt mich die Scham,
Ich hab ins - - - -
desunt quaedam in manuscripto
Parodie auf die Schauerballade, die man durchaus auch bei Chamisso finden kann.
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