RHETORISCHE
ÄNDERUNGSOPERATIONEN
von Gunther Witting
Mit dem Terminus "rhetorische
Änderungsoperationen" werden vier Möglichkeiten
der Veränderung einer Vorlage bezeichnet, wobei es
völlig unwesentlich ist, welcher Art die jeweils
veränderte Vorlage ist. Vorausgesetzt wird lediglich
- daß sie aus einer begrenzten Anzahl von Elementen
besteht
- daß sie strukturiert ist.
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Adjektion = Hinzufügen eines
Elementes / mehrerer Elemente: |
und H
und |
Detraktion
= Entfernen eines Elementes / mehrerer Elemente: |
b
lau lau |
Permutation = Verschieben eines
Elementes / mehrerer Elemente: |
N ame Ame
n |
Substitution = Entfernen eines
Elementes / mehrerer Elemente und Hinzufügen eines Elementes
/ mehrerer Elemente. Die Substitution besteht also aus Detraktion
und Adjektion: |
H a se H o se |
Ein Beispiel aus dem visuellen
Bereich:
Vorlage |
Adjektion |
Detraktion |
Permutation |
Substitution |
Dargestellt werden die Änderungsoperationen bereits in
Quintilians (~35 - ~96 n. Chr.) Lehrbuch der Rhetorik
"Institutio oratoria"; Anwendung finden sie
beispielsweise in den sog. "Permutationsgedichten":
GOTT/ du bist mein GOTT.
bistu mein GOTT?
Gott du bist mein.
Du GOtt bist mein.
mein GOTT bist DU.
(zit. n. Christian Wagenknecht, Proteus und
Permutation)
Die Permutation liegt auch der Figur des Anagramms zugrunde:
Germanisten Nistgermane
In der Parodie
wird häufig von den Änderungsoperationen Gebrauch
gemacht:
Lenore fuhr ums Morgenrot.
Und als sie rum war, war sie
tot!
Hier wird der gesamte Gedichtkontext getilgt (Detraktion) und ein
neuer Kontext hinzugefügt (Adjektion). Diese Parodie ist
also durch Substitution entstanden! |
Literatur zum
Thema:
- Heinrich Lausberg, Elemente der literarischen
Rhetorik, München 1967
- Christian Wagenknecht, Proteus und
Permutation, in: TEXT UND KRITIK 30/1971, Konkrete Poesie II, S.
1 - 10
- Erwin Rotermund, Die Parodie in der modernen
deutschen Lyrik, München 1963
- Theodor Verweyen u. Gunther Witting, Die
Parodie in der neueren deutschen Literatur. Eine systematische
Einführung, Darmstadt 1979
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