Goethe Ede Ede Hauptverzeichnis



 
Theorie und Geschichte der Parodie / Teil II

von Theodor Verweyen






Inhaltsverzeichnis:

I. Einführung und Begründung des Vorlesungsgegenstandes
II. Begriffsgeschichten und Begriff:
1. „Parodie”: Geschichte der Wortverwendung
II. Begriffsgeschichten und Begriff:
2. „Kontrafaktur”: Terminologische Erneuerung eines Begriffs der Literaturgeschichte
II. Begriffsgeschichten und Begriff:
3. Terminologische Entscheidungen zu „Parodie” und „Kontrafaktur”
II. Begriffsgeschichten und Begriff:
4. Parodie und Urheberrecht
III. Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer Zeit‘
III. Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer Zeit‘ / 1. Die pseudo-homerische „Batrachomyomachia” als Beispiel hellenistischer Epos-Parodie
III. Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer Zeit‘ / 2. Die Parodie im Mittelalter: am Beispiel parodistischer Verarbeitungen in Heinrich Wittenwilers „Der Ring”
III. Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer Zeit‘ / 3. „Die Dunkelmännerbriefe” („Epistolae obscurorum virorum”): ein Beispiel humanistischer Satire und Parodie
III. Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer Zeit‘ / 4. Parodie und Travestie im barocken Roman: Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch”
IV. Geschichte der neueren deutschen Parodie
IV. Geschichte der neueren deutschen Parodie:
1. Friedrich Nicolai: „Eyn feyner kleyner Almanach” - Parodie aus dem Geist der Aufklärung
IV. Geschichte der neueren deutschen Parodie:
2. Die Parodie als Klassik-kritisches Mittel: am Beispiel einer Schiller-Parodie A.W. Schlegels aus der Zeit um 1800
IV. Geschichte der neueren deutschen Parodie:
3. Parodistische Literaturkritik im 19. und 20. Jahrhundert: von Ludwig Eichrodt bis Eckhard Henscheid
Literaturhinweise

Verweis Lenore fuhr ums Morgenrot
Die Parodie-Sammlung der Erlanger Liste.
 
 

2. „Kontrafaktur”: Terminologische Erneuerung eines Begriffs der Literaturgeschichte

a) Zur Geschichte der Wortverwendung von „Kontrafaktur”: illustriert mit zwei Textbeispielen

Ich hatte zunächst versucht, einige begriffsgeschichtliche Probleme im Zusammenhang mit dem Ausdruck „Parodie” vor Augen zu führen. Auf den Punkt gebracht, kann man etwa sagen: Nicht alles, was sich im Laufe der Geschichte ‚Parodie’ nennt, ist auch schon Parodie – zumindest dann nicht, wenn man einen wohldefinierten Begriff zugrunde legt. Die große Verschiedenheit der bislang unter ‚Parodie’ subsumierten Texte, Verfahren und Funktionen warf und wirft mit vollem Recht die Frage nach der Einheit des Begriffs auf und läßt, wie ich angedeutet habe, Überlegungen nach der Herstellung der begrifflichen Einheit durch Einengung des Begriffsumfanges naheliegend erscheinen. Im folgenden Kapitel über „Kontrafaktur” haben wir es bei ähnlichen Problemen nun eher mit einem gegenläufigen Vorgang und Anliegen zu tun: nämlich mit der Ausweitung eines zu engen Begriffsumfanges von „Kontrafaktur”. Erneut demonstriere ich die Problematik mit einigen Texten. Zunächst die Vorlage: das Lied Mignons (genauer fürs erste den Prosakommentar dazu) aus:

Goethe: „Wilhelm Meisters Lehrjahre”, III. Buch, 1. Kap.:1

„Sie fing jeden Vers feierlich und prächtig an, als ob sie auf etwas Sonderbares aufmerksam machen, als ob sie etwas Wichtiges vortragen wollte. Bei der dritten Zeile ward der Gesang dumpfer und düsterer; das ‘Kennst du es wohl?‘ drückte sie geheimnisvoll und bedächtig aus; in dem ‘Dahin! Dahin!‘ lag eine unwiderstehliche Sehnsucht, und ihr ‘Laß uns ziehn!‘ wußte sie bei jeder Wiederholung dergestalt zu modifizieren, daß es bald bittend und dringend, bald treibend und vielversprechend war.”

Ich habe ein Stückchen Erzählerkommentar zu jenem Gedicht vorgelesen, das an exponierter Stelle im klassischen Bildungsroman der Deutschen placiert ist: Schon Einlage in der Urfassung „Wilhelm Meisters theatralische Sendung” und somit aus der voritalienischen Sturm und Drang-Zeit Goethes stammend, eröffnet das Gedicht das dritte Buch des Klassikromans „Wilhelm Meisters Lehrjahre” und erscheint darin an einer Schnittstelle des Erzählwerks: an einer Schnittstelle, an der sich die Welt des Theaters, eines in der Shakespeare-Begeisterung der Aufklärung fokussierten Theaters, und das Reich der ‚reinsten Poesie’, einer in lyrischer Empfänglichkeit gehaltenen Poesie, überschneiden. Der Erzählerkommentar erzielt hier ohne Zweifel ein Höchstmaß an Leserlenkung - ein solches Maß an rezeptionslenkender Intensität, daß das Mignonlied nicht bloß Teil, sondern Inbegriff einer bis in die heutige Italientouristik wirksamen Italiensehnsucht geworden ist. Paul Requadt ist diesen Momenten aus Produktion und Rezeption in seiner Monographie über „Die Bildersprache der deutschen Italiendichtung von Goethe bis Benn” nachgegangen. Er hat dabei u. a. festgehalten:

„Die deutsche Italiendichtung setzt trotz mancher Vorläufer erst mit dem Mignonlied ein. Es bezwingt sogleich durch seine Musikalität. Wie in der Eingangsstrophe rhythmisch betonte Silben sich mit den Versschlüssen durch Stabreim verbinden, wie sie mit den übrigen Vokalen und den Endreimen wechselvoll, doch gesetzmäßig zusammenstimmen, entsteht ein Klangspiel, aus welchem sich die Pracht  südlichen Landes entfaltet. [...] Dies Gedicht, das die Italienbegeisterung recht eigentlich entfacht hat [...], verschließt sich trotz seiner angenommenen Leichtverständlichkeit doch einer in allen Punkten zuverlässigen Deutung, so daß man fast aus seiner Hintergründigkeit die Faszination erklären möchte, die es ausübt.”2

So lautet denn das Mignonlied:

Goethe: „Wilhelm Meisters Lehrjahre”, III. Buch, 1. Kap. [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 222]:3

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?3

Soweit also die Definitionsvorschläge und ihre Explikationen und Erläuterungen! Ein letztes Problem deute ich hier nur noch an: bei Parodie, Travestie, Kontrafaktur, Cento und ‚verwandten’ Formmöglichkeiten sollten wir nicht von Gattungen sprechen, sondern – im Zusammenhang mit literarischen Realisierungen – nur von Schreibweisen. Ich zitiere dazu die knappen Bemerkungen in unserer „Walpurga” S. 475f.:

„Beginnen wir also zunächst einmal mit dem, was Parodie und Travestie ganz gewiß nicht sind. Sie sind selbst keine Gattungen - auch wenn das immer wieder behauptet wird –; sie kommen vielmehr in den verschiedensten literarischen und nicht-literarischen Gattungen vor: in Gedichten, Dramen, Essays, Reden und Romanen, wissenschaftlichen Abhandlungen, Werbetexten usw. Zudem ist ihr Vorkommen nicht einmal auf das sprachliche Medium beschränkt, wie ein Blick auf den Film, die bildende Kunst und die Musik schnell zeigen kann.”

Im übrigen verweise ich dazu auf die ausführliche Diskussion in unserer Abhandlung von 1979.4Danach gilt hier, daß sich Parodie, Travestie, Kontrafaktur, Cento usw. in allen Gattungen realisieren lassen, nicht aber selber Gattungen sind. Zugrunde liegt diesen Vorschlägen die Unterscheidung, die Klaus W. Hempfer in seiner „Gattungstheorie” getroffen hat: mit ‚Schreibweise’ sind „ahistorische Konstanten wie das Narrative, das Dramatische, das Satirische usw. gemeint”, mit ‚Gattung’ „historisch konkrete Realisationen dieser allgemeinen Schreibweisen wie z. B. Verssatire, Roman, Novelle, Epos usw.”5

Kennt ihr den Freund? – er ist ein Menschenkind
Und mehr doch, mehr als alle Menschen sind,
Er ging voran die rauhe Dornenbahn,
Nimmt freundlich sich der armen Pilger an:
Kennt ihr ihn wohl?
Die Hand, die Hand
Geleitet sicher uns ins Vaterland.

Diese Nachahmung arbeitet wie die Nachahmung Freislebens mit dem Verfahren der Substitution – im Unterschied zu Freislebens Text aber nicht auf der Vordergrundebene nur empirischer Abbildlichkeit, sondern auf der Ebene der „symbolischen Operation” (F. Schiller, Matthisson-Rezension). Die „ins Mythische hinüberspielende” Sinnbildlichkeit des Mignonliedes erfährt dabei mittels theologischer Versatzstücke aus der Tradition der Predigt- und Erbauungsliteratur eine Konkretisierung ins eindeutig Religiöse und religiös Eindeutige. Auch dies hat entpoetisierende Verendlichung der „unendlichen Unerschöpflichkeit” des Vorbildgedichtes zur Folge. Und auch in diesem Fall aneignender Indienstnahme eines wirkungsmächtigen Mustertextes werden dessen kommunikative ‚Energien’ beansprucht: ausgenutzt, nicht wie in der Parodie eingeschränkt, und zwar ausgenutzt hier zugunsten einer zentralen christlichen Botschaft (wie abgeschmackt das Ausborgen eines Gewandes, in dem sie sich artikuliert, auch immer erscheinen mag): s. letzte Strophe!

Charakteristischerweise steht diese Mignonlied-Nachahmung in einer Predigtsammlung des Kieler Oberkonsistorialrates und übrigens reformfreudigen Lutheraners. Und dort eröffnet sie die Predigt am Palmsonntag, in der zudem zwei Texte von Novalis zitiert werden: ein Text aus dessen „Geistlichen Liedern” sowie die beiden ersten Strophen von „Sehnsucht nach dem Tode” aus den „Hymnen an die Nacht”. Es darf somit als nachweisbar und gesichert gelten, daß Harms’ Adaption nicht in willentlicher ‚Beschädigung’ der Vorlage motiviert ist, sondern daß sie deren Ausstrahlungskraft für das eigene Anliegen in Dienst zu nehmen sucht.

An dieser Stelle kann ich die Einzeltextbetrachtungen abbrechen und von ihnen aus wieder generellere Gesichtspunkte der Begriffsgeschichte und der terminologischen Problematik einführen. Ich kann dabei von dem in Klammern gesetzten Untertitel des „Louisen”-Gedichtes Freislebens ausgehen: „Parodie” lautet er! Indes erinnere ich an meine frühere Bemerkung: Nicht alles, was sich ‚Parodie’ nennt, ist auch schon Parodie!

b) Zur Geschichte der Wortverwendung von „Kontrafaktur”: begriffsgeschichtliche Erweiterungen

Zunächst einmal ist der folgende wortgeschichtliche Befund wichtig: Wie sich Johann Klajs „Parodia Opitiana” schon dem Gedichttitel nach einer bestimmten Art des Nachahmens zuweist, so ist auch Dieter Süverkrüps Text „Zehn rote Kleberlein” bereits durch die Übernahme in die Anthologie „Lyrische Parodien” von M. Ach und M. Bosch jener Nachahmungsart zugeschlagen. Es erstaunt daher wohl auch nicht mehr, daß etwa Freislebens „Mignonlied”-Aneignung schon sehr bald in die genau zu diesem Zeitpunkt neu entstehende Reihe der sog. ‚Parodien’-Almanache eingegangen ist, hier in C. F. Solbrigs „Almanach der Parodieen und Travestien”, der in Leipzig 1816 erstmals erschienen ist. Und ähnlich ist die „Mignonlied”-Aneignung von C. Harms vereinnahmt worden.

Gegenüber diesem bekannten, die Einheit des Begriffs „Parodie” aufhebenden Sachverhalt gibt es einen bedenkenswerten wortverwendungsgeschichtlichen Beleg für C. Harms’ Textverarbeitung. In einer Miszelle von 1913, in der auch der Text jener protestantischen Konkretisierung zum ersten Mal literarhistorisch bekannt gemacht worden ist, hat Hans Hartje lakonisch von „geistlicher Kontrafaktur” gesprochen.5 Das ist ein nicht wenig interessantes Faktum, und zwar deswegen, weil erst 15 Jahre später so etwas wie eine lexikographische Tradition von „Kontrafaktur” beginnt. Mit dieser speziellen Begriffstradition stimmt der Hinweis H. Hartjes auf C. Harms’ Verarbeitung des ‚Sehnsuchtsliedes’ als geistliche Kontrafaktur weitgehend überein. Denn im „Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte” von 1926/28 beispielsweise steht folgender Eintrag, hier auf den entscheidenden Satz reduziert: „Kontrafaktur bedeutet geistliche Umdichtung eines weltlichen dt. Volksliedes”6, und in der zweiten Auflage dieses fachwissenschaftlich repräsentativen „Reallexikons” von 1958 heißt der Eintrag überarbeitet folgendermaßen:

„Kontrafaktur im engeren Sinn bezeichnet die geistliche Umdichtung eines weltlichen Liedes, wie sie im deutschen Sprachraum schon zu Zeiten des Minnesangs vorkommt, im 15. Jhd. stark zunimmt [...], und im Reformations-Jhd. zur Kulmination gelangt.

[Ich übergehe an dieser Stelle die Funktionsbestimmungen der Form und nehme den Faden der Zitation wieder auf, wo es um eine Erweiterung des Gegenstandsbereichs kontrafazierender Bezugnahme geht:]

Daß auch der umgekehrte Vorgang, die Wendung des geistlichen Vorbildes ins Weltliche, geübt wurde, geht aus der reichen parodistischen Literatur des MA.s und der Renaissance hervor”.7

Natürlich wird gegen Ende des zitierten Lexikon-Eintrags die terminologische Problematik wieder überdeutlich (Stichwort „parodistisch”), ohne daß ich hier nochmals darauf eingehen muß. Entscheidend ist vielmehr, daß Claus Harms’ Übernahme des Mignonliedes nach dieser Bestimmung als ‚geistliche Kontrafaktur’ gelten darf.

Mit dieser textsortenspezifischen Benennung sind allerdings Probleme besonderer Art angerührt. Ich skizziere sie. Im Grunde sind ja die Texte des Johann Klaj (17. Jhd.), Dieter Süverkrüp (1974), Freisleben und Claus Harms (beide Texte des frühen 19. Jhs.) von einem vergleichbaren Produktionsstandpunkt bestimmt:
 

  • Übernahme einer wirkungsmächtigen bzw. rezeptionsgeschichtlich bedeutenden Vorlage;
  • die relativ sorgfältige Bewahrung des Textmusters;
  • Thema-Austausch ohne ‚karikierend’-verzerrende Folgen für die Vorlage;
  • der Verzicht auf gegen den Mustertext gerichtete komisierende Herabsetzungsstrategien;

  • vielmehr Indienstnahme des Mustertextes für die Propagierung der eigenen Botschaft.


Das Problem, das sich bei Claus Harms’ Verarbeitung nun dennoch ergibt, ist die Frage danach, warum gerade dieser Nachahmung, dieser bestimmten, inhaltlich bedingten, von der Relation „weltlich”/„geistlich” vorgeprägten Übernahme ein Sonderstatus eingeräumt werden soll - und zwar schon allein dadurch, daß für sie ein eigener Terminus reserviert werden kann, während demgegenüber die Verarbeitungen Klajs, Süverkrüps und Freislebens unterschiedslos unter „Parodie” subsumiert worden sind und weiterhin subsumiert werden. Mit anderen Worten: Wie ist die eigenwillige Begriffsbildung zu erklären und wie ließe sie sich notfalls verbessern?

Erstens: „Geistliche Kontrafaktur”
Die Bestimmung der Adaption von Claus Harms als „geistliche Kontrafaktur” geht auf einen besonderen ‚begriffs’- und forschungsgeschichtlichen Sachverhalt zurück. 1909 erschien eine positivistisch kaum zu überbietende literarhistorische Monographie über die „geistliche Kontrafaktur im Jahrhundert der Reformation”. In ihr formuliert der Verfasser, Kurt Hennig, einige Bedingungen für die Benennung „geistlicher Kontrafakturen”:

„Den geistlichen Dichtungen muß ein bestimmtes weltliches Lied zugrunde liegen, an das der geistliche Liederdichter in irgend einer Weise mit Bewußtsein anknüpft (= contrafacta). Die Lieder müssen im 16. Jh. durch handschriftliche oder Drucküberlieferung erhalten sein, gleichviel ob sie in dieser Zeit entstanden sind, oder bereits dem 15. Jh. angehören [...]. Die weltlichen Vorbilder müssen nachweisbar oder die Kontrafaktur direkt bezeugt sein.”8

Diese Bestimmungen haben zu einer derartigen Bedeutungsverengung des Ausdrucks „Kontrafaktur” geführt, daß er zur literarischen und künstlerischen Praxis der Gegenwart in so gut wie keine unmittelbare Beziehung mehr treten kann. Und von hier aus verbietet sich auch ein Wortgebrauch, wie er etwa bei Adolf Muschg, Helmut Heißenbüttel, Peter Rühmkorf, Karl Ludwig Schneider, Renate Boeschenstein u. a. anzutreffen ist: und zwar als Bezeichnung für jeden gegen Literatur gerichteten literarischen Prozeß.

Gegenüber diesen Autoren (Literaten und Literarhistorikern) orientiert sich Kurt Hennig bei seiner Explikation von „Kontrafaktur” an einem Wortgebrauch, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, also im Zusammenhang mit Texten vorkommt: in einer aus dem Frauenkloster Pfullingen stammenden und in den Besitz der staatlichen Landesbibliothek Stuttgart übergegangenen Handschrift (Cod. theol. 4°190). Dort ist zum Incipit9 von zwei weltlichen Liedern der Zusatz „Contrafactum” hinzugefügt; unter der ersten Zeile eines Buhlliedes („Es hat ein man sin wip verloren etc.”) ist eine Erklärung beigegeben, die dann viel zitiert worden ist: „contrafact uff einen geistlichen sinn”; danach wurde das weltliche Lied zu einem „christlich geänderten”: „Es hat ein mönsch gotts huld verlorn”. Diesen zweiten Beleg in der Pfullinger Handschrift haben Verweyen/Witting in den Text- und Bildanhang des „Kontrafaktur”-Buches übernommen, und zwar als vergrößertes Faksimile (leider enthält die Bildunterschrift zwei störende Fehler, die beim Korrekturlesen übersehen worden sind)10.

Nun, diesen im Zusammenhang mit Texten auftretenden Ausdruck „Contrafact” bzw. „Contrafactum” gibt es nach einer an K. Hennig anschließenden Arbeit des Jahres 1920 von Luise Berthold allerdings nur in der Pfullinger Handschrift. Naheliegende Annahme ist es daher, daß sich von dieser Enklave des Wortgebrauchs aus historisch kaum eine begriffsgeschichtliche Tradition entwickeln konnte. Tatsächlich sind von ihr begriffliche Impulse zur Kennzeichnung einer eigenen formgeschichtlichen Tradition, wie sie in den Adaptionen und Verarbeitungen eines Klaj, Freisleben, Süverkrup hier fürs erste paradigmatisch vorgestellt worden ist, nicht ausgegangen. Erst 1909 – mehrere Jahrhunderte nach der Anwendung des Ausdrucks „Contrafactum” auf eine bestimmte Sorte von Texten – setzt eine Geschichte der Verwendung von „Kontrafaktur” ein, die begriffs- und terminusähnlichen Charakter gewann. Zum Modellfall avanciert dabei das folgende Beispiel „christlicher Änderung” eines weltlichen Buhlliedes:

H. Isaac [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 184f.]:

Isbruck ich muß dich lassen

Isbruck ich muß dich lassen ich far dohin mein strassen
in fremde landt do hin mein freud ist mir genomen die
ich nit weiß bekummen wo ich im elend bin.

Groß leid muß ch yetz tragen das ich allein thu klagen
dem liebsten bulen mein, ach lieb nun laß mich armen im
hertzen dein erbarmen das ich muß von dannen sein!

Meyn trost ob allen weyben dein thu ich ewig pleyben
stet trew der eren frumm nun muß dich Gott bewa-
ren in aller thugent sparen biß das ich wider kumm!

Und die „christliche Änderung” der Vorgabe von Heinrich Knaust lautet [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 185]:

Insbruck ich muß dich laßen, christlich geändert

O welt, ich muß dich laßen
und far dahin mein straßen
ins vaterland hinein.
irdisch freud ist mir gnommen,
die ich nit mer bger zu bekommen,
weil ich in elend bin.

Groß leid muß ich jetzt tragen,
das ich allein tu klagen
dem liebsten herren mein:
ach Got, nu laß mich armen
im herzen dein erbarmen,
weil ich so arm muß sein!

Mein trost in allen leiden,
von dir sol mich nicht scheiden
kein not in diser welt,
kein armut sein so schwere,
mein sin und all mein bgere
zu dir allein gestellt.

So imposant diese „geistliche Kontrafaktur” sub specie mortis et aeternitatis auch sein mag, im Hinblick auf die gegenwärtige literarische Praxis, auf aktuelle literaturtheoretische Fragestellungen und fachterminologische Probleme ist der deskriptive Gehalt des Ausdrucks außerordentlich eingeschränkt. Der Ausdruck „Kontrafaktur” ist hierin lediglich ein Terminus der Literaturgeschichte, nicht der Literaturtheorie. Und dennoch: Was ihn gleichwohl in literaturtheoretischer und literaturwissenschaftlich-begrifflicher Hinsicht interessant machen kann, ist sein terminologisches Konfliktpotential vor dem Hintergrund von Wort und Sache der sog. „parodia seria”. Darauf will ich nun eingehen.

Wie man sich denken kann, hat sich die Literaturwissenchaft mit der engen Bestimmung von „Kontrafaktur” – also damit, daß der Ausdruck „Kontrafaktur” „geistliche Umdichtungen eines weltlichen Liedes” bezeichnet – nicht zufrieden gegeben. Das zeigt der schon kurz angeführte Lexikonartikel in der zweiten Auflage des „Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte” von 1958. Denn nach der uns schon bekannten engen Bestimmung kommt die folgende Erweiterung hinzu:

„Daß auch der umgekehrte Vorgang, die Wendung des geistlichen Vorbildes ins Weltliche, geübt wurde, geht aus der reichen parodistischen Literatur des Mittelalters und der Renaissance hervor”.

Diese Erweiterung des Begriffsumfangs ist zunächst einmal im Hinblick auf den Ausdruck „Kontrafaktur” als Terminus der Literaturgeschichte interessant, denn sein Anwendungsbereich erstreckt sich nun sowohl in mittelalterliche Bereiche der Textproduktion als auch über die Zeit nach der Reformation und der Renaissance hinaus eben auch in die Textbereiche der Barockzeit. Diese Erweiterung ist zugleich aber mit dem Makel der begrifflichen Inkonsistenz behaftet; denn es wird unter dem Hauptbegriff „Kontrafaktur” zugleich der Ausdruck „parodistisch” mitgeführt. Ist diese Inkonsequenz nötig? Ich gehe dieser Frage nach, indem ich erneut einige Beispielfälle vor Augen führe und dabei ständig die terminologische Problematik gegenwärtig halte. Ich bin somit im Rahmen der Geschichte der Wortverwendung von „Kontrafaktur” auf eine begriffsgeschichtliche Erweiterung aus.

Zweitens: „Weltliche Kontrafaktur”
Der Verfasser des „Kontrafaktur”-Artikels in der 2. Auflage des „Reallexikons” Georg Reichert ist bei seiner inkonsistenten Bezeichnungsweise durch die Begriffstraditionen vor allem in zwei Bereichen älterer Forschungsgegenstände bedingt gewesen: nämlich durch den barockmusikalischen Bereich in der musikwissenschaftlichen Forschung und durch den Bereich der schon etwas zurückliegenden Erforschungen mittelalterlicher Literatur.

Ein Beispiel aus der mittelalterlichen Literatur:
Einer der besten Kenner von Formen und Funktionen der Textverarbeitung in der mittelalterlichen Literatur ist wohl Paul Lehmann. Dieser hat eine umfängliche Untersuchung mit dem Titel „Die Parodie im Mittelalter” 1922/23 publiziert. Dem Kapitel über die „Arten der Parodie” hat er ein Motto in elliptischer Gedrängtheit vorangestellt, das für die Adressaten des Mottos nichts Gutes verheißt: 

„Radix Omnium
Malorum Avaritia”.

Es handelt sich zunächst einmal um einen Merkvers, der seinen eigenen Appellwert hat (etwa: Verfalle nie dem Geiz!). Es handelt sich zugleich aber auch um einen Rätselvers. Des Rätsels Lösung birgt das Akrostichon „ROMA”: Das [geizige] Rom ist die Wurzel aller Übel! Der merk-würdige Merkvers steht also in der traditionsreichen Reihe der Kirchen- und Rom-kritischen Literaturformen des Mittelalters. Auf dieses Motto folgen dann P. Lehmanns Charakterisierungen einer Textverarbeitung, die zu den berühmt-berüchtigten Textverarbeitungen des kirchenpolemischen Mittelalters gehört; Paul Lehmann schreibt: 

„Fragt man Kenner nach einer mittellateinischen Parodie, so wird man in der Antwort gewöhnlich zuerst das aus Schmellers Veröffentlichung der Carmina Burana bekannte ‚Evangelium secundum marcas argenti’ vernehmen. Ja, das ist ein bezeichnendes, ein besonders einflußreiches und ein recht altes Stück. Das Silbermarkenevangelium führt uns mitten hinein in die Streit- und Spottliteratur, die üppig um Rom emporgewuchert ist. Wider die Bestechlichkeit der Kurialen, wider die Simonie, wider die Herrschaft des Geldes ist es gerichtet. Wir wissen nicht, wann und wo das Evangelium entstanden ist [später wird in der Forschung seine Entstehung in der Zeit des großen Schismas unter Friedrich Barbarossa (1152-1190) angesetzt] [...]. Fest steht schon jetzt, daß man sich parodierender Satiren in der von glühendem Haß und kaltem Hohn erfüllten, die sprachlichen literarischen Formen außerordentlich meisternden kirchenpolitischen Publizistik seit dem Investiturstreit (1076) mit leidenschaftlicher Erregung und Beweglichkeit zu bedienen gewußt hat.”11

Wer die Charakterisierungen des „Evangelium secundum marcas argenti” aufmerksam zur Kenntnis genommen hat, wird bemerkt haben, daß sich der literarische Spott und Streit dieser offensichtlich sehr wirksamen Verarbeitung vorgegebener Textmuster gegen die Bestechlichkeit der Kurialen (der römischen Papstdiener), gegen die Simonie (den Kauf geistlicher Ämter), gegen die Herrschaft des Geldes richtet - nicht aber gegen die verarbeiteten Textmuster selber. P. Lehmanns Beschreibung wird in jeder Hinsicht gestützt durch neuere Forschungen etwa Günter Bernts, der ausdrücklich festhält, „nicht der parodierte Text”, d. h. hier schlicht: nicht der übernommene und nachgeahmte Text solle „ironisiert werden”12. Nicht einmal „eine kirchenfeindliche Haltung” dürfe in dem „Silbermarkenevangelium” gesehen werden; Walther von Châtillon beispielsweise (gestorben nach 1185), einer der engagiertesten Kritiker, der mit schon für seine Zeit berüchtigten Liedern gegen den Papst und die römische Kurie zu Felde zog (vgl. CB 41 und 42), singt etwa im 41. Lied der CB: „Propter Sion non tacebo”, d. h. „um Sions Willen”, also um der Kirche willen, „kann ich nicht schweigen”13. Freilich, um der besonderen Wirkungsabsicht willen wird dabei mit allen Mitteln und Verfahren der – wie P. Lehmann sagt – „kirchenpolitischen Publizistik” operiert; z. B. mit dem Wortspiel: schon im Gedichttitel des Silbermarkenevangeliums heißt es statt der Ankündigungsformel „Hören Sie das Evangelium nach Marcus” (= „Evangelium secundum Marcum”) vielmehr „Hören Sie das Evangelium nach den Marken aus Silber”. Hinzu kommt das polemische Zitieren der Bibel zusammen mit thematischen Ersetzungen, die ganz vom Geist der satirischen Verkehrung erfüllt sind: beispielsweise führt uns das „Geldevangelium” zuerst den Nachfolger Petri im Kreise der Kurialen (der Kurienherren) vor. Der Papst beginnt mit Sätzen aus den Evangelien des Matthäus und des Lukas: „Wenn des Menschen Sohn kommt zum Sitze der Majestät, dann soll ihn der Türhüter fragen: ‚Freund, wozu kommst du?’ und wenn er beharrlich anklopft, aber nichts gibt, dann werft ihn in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern sein wird.’” An anderer Stelle des Geldevangeliums predigt der Papst statt mit Christus Gottes- und Nächstenliebe vielmehr, das 10. Lukas-Kapitel entstellend: „Liebe Gold und Silber von ganzem Herzen und von ganzer Seele und den Reichen wie dich selbst”.14

Nach dieser Einführung ist nun der ganze Text des „Evangelium secundum marcas argenti” in der zweisprachigen Überlieferung der folgenden Ausgabe zu lesen:

Carmina Burana, Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Zweisprachige Ausgabe, herausgegeben mit Anmerkungen und Nachwort von Günter Bernt, München 1979, S. 117-119.

Vielleicht ist nach der Textlesung zusammen mit den einführenden Bemerkungen dreierlei deutlich und plausibel geworden:

  • zunächst einmal die textnahe Bezugnahme auf die biblischen Evangelien (die Textnähe zur Bibel ist so streng durchgeführt, daß fast schon von einem Cento gesprochen werden kann);
  • sodann die Bezugnahme auf die Bibel als Medium, nicht als Gegenstand der Kritik (auf diese Unterscheidung komme ich an anderer Stelle der Vorlesung zurück);
  • schließlich die Benutzung des Mediums zum Zweck komisch-kritischer Herabsetzung unbiblischer, verweltlichter und, mehr noch, verkommener Zustände in der Kirche.


Die „geistliche Kontrafaktur”, so greife ich terminologischen Festlegungen schon einmal vor, ist noch nicht „weltliche Kontrafaktur”, aber auf dem Wege zur selben. Und: Komik ist im Spiel – aber in welcher Hinsicht und Richtung? Jedenfalls nicht gegen die Vorlage, das Medium, die Bibel gerichtet! Und noch etwas anderes kommt als Textkonstituierendes hinzu: Wären Sie bibelfest in der lateinischen Version der Evangelien und hätten den Text nicht in der deutschen, sondern originalen Fassung gelesen, dann hätten Sie feststellen können, daß der Text aus einer ungemein geschickten Zitatmontage biblischer Syntagmen und Satzsegmente besteht; d. h. das „Silbermarkenevangelium” fordert zu generischen, also textsortenspezifischen Überlegungen zwischen Satire, Kontrafaktur, Parodie und Cento heraus. Dazu später!

Ein Beispiel aus dem barockmusikalischen Bereich:
Die musikhistorische Forschung hat schon in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts nachweisen können, daß Johann Sebastian Bach „eine große Zahl seiner geistlichen und weltlichen Kantaten, nachdem sie ihrem ersten Zwecke gedient, mit anderen Texten bei späteren Gelegenheiten wieder benutzt, d. h. parodiert” hat15 – so lautet etwa Arnold Scherings Beobachtung in seinem Aufsatz über „Bachs Parodieverfahren” von 1921. Ich führe den Aufsatz auch im folgenden an. Schering unterscheidet bei diesem sog. ‚Parodieren’ drei Gruppen: „weltliche Kompositionen wurden in geistliche verwandelt; geistliche durch neue Textdichtungen zu andern geistlichen, und schließlich weltliche zu andern weltlichen gemacht”16. A. Schering sieht nun in der „notengetreuen Übertragung eines ursprünglich weltlichen Musikstückes in die Kirche, selbst wenn es völlig neuen geistlichen Text enthält, [...] ein dreifaches Problem”:

„Einmal vom Standpunkt des historisch geschulten Stilkritikers aus, der nicht ohne Widerstreben zugeben kann, daß weltlicher und kirchlicher Musikstil dasselbe seien. Zweitens vom Standpunkt des Kirchenmannes, der sich aus naheliegenden Gründen gegen ‚Verweltlichung’ seines Gotteshauses sträuben wird, und schließlich vom Standpunkte des Ästhetikers, der sich fragen muß, ob es möglich sei, ein und dieselbe Musik heute zu weltlichem, morgen zu geistlichem Texte singen zu lassen.”17

Es lassen sich nun in der Tat musikgeschichtliche Zeugnisse beispielsweise für den Kampf gegen „Verweltlichung” des Gotteshauses beibringen. So schreibt etwa eine Klausel im Vertrag den Thomaskantoren zu Leipzig Kuhnau und Bach vor, „ihre Kirchenmusiken nicht ‚zu opernhafftig’ anzulegen”; und in einer Philippika des sächsischen Pastors Gerber von 1732 werden „alle oratorischen Passionsmusiken als theatralisch in Grund und Boden” verdammt.18

Im Unterschied zu diesem eher aus dem Geist der pietistischen Kritik der Künste geführten Angriff gegen die sog. „Verweltlichung” der Kirchenmusik, d. h. gegen ihre Ästhetisierung macht nun A. Schering auf ein für unseren Problemzusammenhang ungemein interessantes Dokument der kirchlichen Musikgeschichte aufmerksam. Es stammt von dem Schlesier Gottfried Ephraim Scheibel, unter dem Thomaskantor Kuhnau Student in Leipzig und wohlvertraut mit den Leipziger Musikverhältnissen um 1717. Scheibel veröffentlicht 1722 eine Abhandlung mit dem Titel „Zufällige Gedanken von der Kirchenmusik, wie sie heutiges Tages beschaffen”. In ihr ist das ganze 5. Kapitel der Frage des sog. ‚Parodierens’ gewidmet. Aus diesem Kapitel lese ich eine längere Passage vor; sie steht unter dem Aspekt: „Daß die Kirchen-Music mit der weltlichen in Movirung der Affecten nichts eigenes habe”.

Arnold Schering, Über Bachs Parodieverfahren, S. 54:

„... Daß beyde Arten der Music ... in Motion der Affecte ... unterschieden seyn müsten, ist eine allgemeine Meinung, und die besten Musici und Componisten haben sie bejahet, und geglaubt, die Kirchen=Music müsse doch anders aussehen als die Weltliche, man müsse nicht so frey die Cadencen setzen, und dergleichen Dinge mehr, die mir immer vorkommen, als wenn sie selbst nicht wüsten, was die Motion der Affecten sey, ob sie gleich dieselben zu moviren suchen.
Ich wollt ihnen diese Meinung zugestehen, wenn sie mir wüsten die Diversion von der Freude, Traurigkeit und andern Affecten zu geben, die sie vielleicht ohne Grund in ihrem Gehirn machen. Es bleibt ein Affect, nur daß die Objecta variiren, daß z. E. hier ein geistlicher Schmertz, dort ein weltlicher empfunden wird, daß man hier geistliches, dort ein weltliches Gut vermisset usw. Wie ich mich über weltliche Dinge betrübe, so kann ich mich über geistliche betrüben; wie ich mich über diese erfreue, so kann ich mich über jene erfreuen. Der Thon, der mich in einer Opern vergnügt, der kann auch solches in der Kirchen thun, nur daß er ein anderes Objectum hat.
Ich weiß nicht, was man darwider will einwenden. Ich nehme eine weltliche Composition von einer Cantate, mache eine Parodie von einer geistlichen Materie drauff, und exprimire eben den Affect, den die Composition mit sich bringt, so wird eben dieser affectus sowohl movirt werden, als da er ein weltlich Objectum hatte, wornach er sich richtete, und wird deswegen seine Kraft nicht verlieren. Daß solches die Richtigkeit habe, will ich zum Exempel nehmen die erste Aria aus der II. Scena des I. Actus in der Opera Jupiter und Semele und zu ihrem Authorem hat Mons. Telemann; diejenigen, die vor fünf Jahren in Leipzig gewesen, werden sich ihrer zu erinnern wissen. Semele singt:

Ich empfinde schon die Triebe,
Die der kleine Gott der Liebe
Meiner Seelen eingeprägt.
Ach wie kann sein Pfeil erquicken
Und die süsse Glut entzücken,
Die er in mir hat erregt.

Wer die Composition gehört, muß mir diese Parodie ungetadelt lassen:

Ich empfinde schon die Triebe,
Die mein Jesus, der die Liebe,
Meiner Seelen eingeprägt.
Ach! Wie kann sein Wort erquicken
Und des Glaubens Glut entzücken,
Den sein Geist in mir erregt.

Auff gleichen Schlag klingt die folgende Aria in eben der Scena:

Meine Flammen sind so schön,
Daß ich mich von aller Pflicht
[Daß ich aller Fleisches=Pflicht]
Durch ihr sonderbares Licht
[Durch des wahren Glaubens Licht]
Kann hinfort befreyet sehn.
[Mich kann fort befreyet sehn.]
Wo ein Gott verliebt will sprechen,
[Wo Gott will von Liebe sprechen,]
Müssen andre Bande brechen.
[Müssen ird‘sche Bande brechen.]

Und ich wette, wollt ich mit einer gantzen Opera so verfahren, und nur das Objectum des Affects verändern, so würde einerley Affect movirt werden.
[Scheibel fährt fort, es wäre nur gut, wenn die heutige Kirchenmusik etwas] ‘lebhafftiger und freyer, c‘est à dire, mehr theatralisch wäre, sie würde mehr Nutzen schaffen als die gezwungene Composition, der man sich in der Kirchen ordinair bedienet. ...‘”

Ich habe diesen musiktheoretischen Passus nicht vorgelesen, um eine weiteres Beispiel für den weiten „Parodie”-Begriff zu geben. Wir sind mit diesem Problem eines zu weiten „Parodie”-Begriffs inzwischen ja vertraut. Es dürfte uns zudem nicht mehr schwer fallen, in den Beispielen jener musiktheoretischen Ausführungen das Kontrafakturverfahren wiederzuerkennen – und zwar durchaus im Sinne der Explikationen des „Reallexikons” wie auch im Sinne des spätmittelalterlichen Wortgebrauchs von „Contrafactum”. Interessant ist hier der vorgelesene Text wegen der besonderen Begründung, mit der das Verfahren der ‚geistlichen Kontrafaktur’ gutgeheißen (und d. h. selbstverständlich auch: gegen die pietistische Kritik der Künste verteidigt) wird. 

Diese Begründung basiert zunächst einmal auf einer Anerkennung der Affekte, die frömmigkeitsgeschichtlich bis ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus negativiert worden sind. Die Begründung enthält sodann eine Rechtfertigung für die kirchenmusikalische Ausnutzung des affektrhetorischen Potentials der weltlichen Musik, vielleicht darf man schon sogar sagen: für die Ausnutzung ihres affektästhetischen Potentials, beispielsweise hier der Opernmusik. Schließlich liegen in der Begründung Möglichkeiten beschlossen, an die ihr Autor noch nicht gedacht hat, weil ihm geschichtlich wohl nur die Übernahme von weltlichen Mustertexten und Kommunikationsmustern ins Geistliche vor Augen stand: es sind auf der Grundlage des Gedankens der ‚Variierung der Objecta’ bei einer als einheitlich angenommenen Affektbasis die Möglichkeiten naheliegend, die Anwendungsrichtung der affektiven Mittel umzukehren – nämlich vom Geistlichen ins Weltliche. Mit anderen Worten: In Scheibels Traktat wird so etwas wie der Grund für den Prozeß von der „geistlichen” zur „weltlichen Kontrafaktur” in Bereichen des Ästhetischen und somit auch des Literar- und Musikästhetischen sichtbar. Die „geistliche Kontrafaktur” ist in der Tat auch ästhetikgeschichtlich auf dem Wege zur „weltlichen Kontrafaktur”. 

Beispiele „weltlicher Kontrafaktur” aus neuerer Zeit:
Der soeben angedeutete ästhetikgeschichtliche Prozeß ist Gegenstand einer herausragenden Untersuchung des Germanisten Albrecht Schöne unter dem Titel „Säkularisation als sprachbildende Kraft. Studien zur Dichtung deutscher Pfarrersöhne” geworden. Wenn ich mich hier nun einer unangemessenen Verkürzung der großartigen Darstellung schuldig mache, so nur mit Blick auf den durch das Thema der Vorlesung bedingten Rahmen. Unter „Säkularisation” versteht A. Schöne in Anlehnung an den rechtsgeschichtlichen und historischen Säkularisationsbegriff die Übertragung „sprachlicher Bestände” aus der Bibel, dem Gesangbuch, der Liturgie „in den Sprachzusammenhang einer nicht zu gottesdienstlichem Gebrauch bestimmten Dichtung”19. Die Übertragung dient dabei „der Erhöhung und Steigerung des dichterischen Wortes” durch „die Bedeutungskraft und Vorbildlichkeit des religiösen Bereichs”20. Der Rückbezug auf den biblischen Ursprungsbereich erfolgt nicht in der Absicht seiner „Abwertung und Zerstörung”; vielmehr sei in diesem Vorgang der Säkularisation als literaturgeschichtlichen Phänomens „alles Interesse [...] vom Modell auf die Kontrafaktur verlagert; weder in positivem noch in negativem Sinne betrifft die eigentliche Intention des Sprechenden jenen Text, aus dem er die Worte seiner neuen Botschaft bezieht”.21

Albrecht Schöne hat diese letzteren Beobachtungen und Beurteilungen der literarischen Säkularisation insbesondere in der Auseinandersetzung mit einem Aufsatz des Anglisten und germanistisch interessierten Literaturwissenschaftlers Herbert Schöffler formuliert. Der Ausatz handelt von Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers”. Schöffler war es, auf den die Entdeckung der zahlreichen Bezugnahmen Goethes auf die Evangelien – vor allem auf das Johannes-Evangelium – zurückgeht; Schöffler hatte aus diesen Parallelen zwischen „Werther” und Bibeltext heraus den Roman als „ein Erbauungsbuch in einem völlig neuen Sinne” interpretiert:

„Die Evangeliumstöne im Leiden und Sterben Werthers, durch die sich die Darstellung anschließt an alte Formen, dürfen genommen werden als Ausdruck für das Bewußtsein, daß dies Leiden an diesseitigem Werte, dieses Zugrundegehen an der Liebe ebenso wichtig sei, ebenso bedeutsam genommen werden solle wie jener abertausendmal erzählte Erzfall eines Leidens und Sterbens um jenseitigen Wertes willen”.

Für H. Schöffler steht dabei fest, daß hierin eine „im Sinne des Kirchenglaubens verwerfliche Art der Verwendung von Evangeliumsparallelen”, mithin „Blasphemie” im Spiele sei22. Auch A. Schöne interpretiert den „Werther”-Roman – für ihn eine „weltliche Kontrafaktur” – im Kontext der Philosophie- und Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, gewichtet aber im Unterschied zu H. Schöffler die literarische Verarbeitung, meines Erachtens zu Recht, mehr im Sinne einer autorspezifischen Perspektive: 

„Hier wird tatsächlich die Wirkung der Aufklärung, die Erweichung der altprotestantischen Orthodoxie, die Liberalisierung des Pfarrhauses als Voraussetzung einer Säkularisationsform spürbar [...]. Einerseits führt die Auflösung der Kodifikation zu unbeschränkter Verfügbarkeit des religiösen Sprachgutes, andererseits kennt die Selbstherrlichkeit der Dichtung keinen Hinderungsgrund mehr, das Verfügbare aufzugreifen, wo immer es nützlich scheint”.23

Mit anderen Worten: Aufkündigung des normativen Anspruchs des Vorbildes, Historisierung des Formbegriffs und Autonomieerklärung der Kunst sind für A. Schöne die bewegenden Kräfte der Säkularisation und zugleich Faktoren der Ästhetisierung aller Normbilder, einschließlich der Bibel. In diesem Funktionsrahmen ist die Ausnutzung biblischer Sprach- und Ausdrucksmuster möglich, ohne daß die Bezugnahme auf sie zugleich ihre Infragestellung bedeuten müßte, ist nach A. Schöne somit „weltliche Kontrafaktur” möglich.

Ich habe hier den in jeder Hinsicht faszinierenden Textfall „Werther” nicht eingeführt, um ein besonders gewichtiges Beispiel für das Verfahren der „weltlichen Kontrafaktur” aufbieten zu können und somit dieses Verfahren auch ästhetisch interessant zu machen. So sehr ich A. Schöne in der Beschreibung des Romans zustimme, hinsichtlich der Bestimmung des Romans als „weltlicher Kontrafaktur” bin ich jedoch eher skeptisch. Denn man kann, wie das Schöne bei der Analyse von Bürgers Schauerballade „Lenore” auch tut, allenfalls von einem „kontrafaktischen Beziehungsgeflecht” sprechen, das in den Roman mit eingezogen ist, nicht aber von Kontrafaktur. Ich habe den Textfall hier vielmehr eingeführt, um die ebenso komplexen wie ästhetikgeschichtlich brisanten Prozesse der Herauslösung der Literatur aus bestimmten religions- und frömmigkeitsgeschichtlichen Kontexten zumindest in Andeutungen skizzieren und ebenso die Grundlagen für „weltliche Kontrafaktur” andeutungsweise umreißen zu können. 

Weniger komplexe Beispiele für das Problem ‚weltliche Kontrafaktur’ möchte ich im folgenden aufnehmen und erörtern, um die Tragweite dieses Problems in terminologischer, systematischer und historischer Hinsicht etwas mehr zu konkretisieren. Machen Sie sich dabei auf Texte gefaßt, die ziemlich historisch, gleichwohl nicht uninteressant sind. Sie sind einfache Fälle ‚weltlicher Kontrafaktur’ und in gar keiner Weise Texte hochkomplexer Strukturiertheit wie Goethes „Werther”! 

Bevor ich zu den einfachen Fällen ‚weltlicher Kontrafaktur’ komme, gebe ich einige zusammenfassende Bemerkungen. Gottfried Ephraim Scheibel hatte 1722 für „Freiheit des Kirchenstils” plädiert, dabei nicht zuletzt Kompositionen Telemanns vor Augen: „Ich nehme eine weltliche Composition von einer Cantate, mache eine Parodie von einer geistlichen Materie drauff, und exprimire eben den Affect, den die Composition mit sich bringt” – gleichviel, ob das „Objekt”, auf das sich der erzeugte Affekt richtet, ein „weltliches” oder „geistliches” sei. Interessant, so ist festzuhalten, ist die musiktheoretische Abhandlung Scheibels u. a. wegen der eigenwilligen Begründung, mit der Verfahren der geistlichen Kontrafaktur gutgeheißen werden. Diese Begründung basiert zunächst einmal auf einer Anerkennung, ja Positivierung der Affekte: Leidenschaften waren ja frömmigkeitsgeschichtlich bis weit ins 18. Jahrhundert negativiert als Sünde oder auch als Grund zu sündhaftem Verhalten u.s.w. Die Begründung enthält sodann eine Rechtfertigung für die kirchenmusikalische Ausnutzung des affektrhetorischen Potentials der weltlichen Musik, vielleicht darf man schon sogar sagen: für die Ausnutzung des affektästhetischen Potentials der weltlichen Musik (etwa der Opernmusik für geistliche Oratorien)!

Darüber hinaus liegen in der Begründung Scheibels Möglichkeiten einer ästhetischen Entwicklung angedeutet, an die der Autor selber wohl noch nicht hat denken können, weil ihm historisch wohl nur die Übernahme weltlicher Mustertexte und Kommunikationsformen ins Geistliche vor Augen standen. Auf der Grundlage des Gedankens der ‚Variierung der Objecta’ und infolge einer als einheitlich gedachten Affektbasis sind Möglichkeiten zu wechselseitigen Austauschprozessen von „geistlicher” zu „weltlicher” Kontrafaktur in allen Bereichen des Ästhetischen angebahnt. Die „geistliche Kontrafaktur” ist, auch ästhetikgeschichtlich: d. h. in der Bedeutung der Geschichte der „cognitio sensitiva” als sinnlicher Erfahrung und Erkenntnis, auf dem Wege zur „weltlichen Kontrafaktur”.

Allerdings muß nun eingeräumt werden, daß man sich im Zusammenhang mit Kontrafakturen seltener auf den Höhenkämmen des Ästhetischen der angedeuteten Art bewegt. Aus dieser Erfahrung ist eine naheliegende Analyse-Konsequenz zu ziehen. Im Unterschied zur Erörterung des Romans „Die Leiden des jungen Werthers”, dessen hochkomplexe Struktur und Thematik für eine Diskussion der weltlichen Kontrafaktur eben trotz der Untersuchung von A. Schöne wenig geeignet erscheint, sind einfachere Textfälle ‚weltlicher Kontrafaktur’ im Hinblick auf eine praktikable und operationalisierbare Begrifflichkeit und Systematik in diesem Feld elementarer Intertextualitätsformen zu diskutieren. Solche Textfälle nehme ich jetzt auf.

Erstes Textbeispiel: Bei dem ersten Textbeispiel handelt es sich um das „Thürmerlied”. Sein Autor, Emanuel Geibel, einer der erfolgreichsten Schriftsteller, ja Modeautor des 19. Jahrhunderts, bezieht sich darin auf das Kirchenlied „von den klugen Jungfrauen, die ihrem himmlichen Bräutigam begegnen”. Dem geistlichen Lied, so schon die Überschrift, liegt Mt 25,1-13 zugrunde. Daß hier das Neue Testament wichtigster Bezugstext ist, muß nicht verwundern. Denn der Autor des geistlichen Liedes ist der protestantische Kirchenlieddichter Philipp Nicolai (1556-1608), der lange in Hamburg als Hauptpastor an der Katharinenkirche wirkte. Hier zunächst die Vorlage [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 181f.]: 

Ein Geistlich Braut-Lied

von der Stimm zu Mitternacht / vnd von den klugen Jungfrauwen / die jhrem himmlischen Bräutigam begegnen / Matth. 25.

I.
WAchet auff / rufft vns die Stimme /
Der Wächter sehr hoch auff der Zinnen /
Wach auff du Statt Jerusalem.
Mitternacht heißt diese Stunde /
Sie ruffen vns mit hellem Munde /
Wo seyd jhr klugen Jungfrauwen?
Wolauff / der Bräutigam kompt /
Steht auff / die Lampen nimpt /
Halleluia.
Macht euch bereit / Zu der Hochzeit /
Jhr müsset jhm entgegen gehn.

II.
Zion hört die Wächter singen /
Das Hertz thut jhr von Frewden springen /
Sie wachet vnd steht eilend auff:
Jhr Freund kompt vom Himmel prächtig /
Von Gnaden starck / von Wahrheit mächtig:
Jhr Liecht wirdt hell / jhr Stern geht auff.
Nu komm du werthe Kron /
HErr Jesu Gottes Sohn /
Hosianna.
Wir folgen all zum FrewdenSaal /
Vnd halten mit das Abendmal.

III.
Gloria sey dir gesungen /
Mit Menschen vnd Englischen Zungen /
Mit Harpffen vnd mit Cymbaln schön:
Von zwölff Perlen sind die Pforten
An deiner Statt / wir sind Consorten
Der Engeln hoch vmb deinen Thron /
Kein Aug hat je gespürt /
Kein Ohr hat mehr gehört /
Solche Freuwde.
Deß sind wir fro / jo / jo
Ewig in dulci iubilo.

Dieses Lied ist nicht irgendeines aus dem reichen Schatz protestantischer Kirchenlieddichtung. Es gehört zum kanonischen Liedbestand einer bestimmten Zeit im Kirchenjahr: Es ist ein Adventslied und zugleich ein adventliches Lied, das die Jahrhunderte überdauert und die konfessionellen Grenzen überschritten hat. Ein Lied der ganzen Christenheit konnte es insbesondere deswegen werden, weil es, zutiefst biblisch, den heilsgeschichtlichen Gedanken der Parusie, der Wiederkunft Christi, mit dem Appell an den Gläubigen zur korrespondierenden Haltung einer hoffnungsfrohen Erwartung verknüpft, die ekklesiologisch (also kirchlich) und eschatologisch (also endzeitlich) orientiert bleiben soll. Wenn sich nun Emanuel Geibel dieses adventlichen Liedes bemächtigt, sich des „Glanzes des geborgten Lichtes” (A. Schöne) für seine Zwecke und Absichten vergewissert, so geschieht dies nicht aus einer Haltung blasphemischer Gebrochenheit, sondern aus der Haltung der Übereinstimmung (wie immer wir sie auch heute bewerten mögen). Geibel (1815-1884), Sohn des Lübecker Pastors und Verfassers geistlicher Lieder Johann Geibel, war zeit seines Lebens ein treuer Diener des nicht zuletzt in Preußen gehüteten Gedankens der Einheit von „Thron und Altar” und erfreute sich seit 1842 bis zu seinem Lebensende ideeller und materieller Gunstbezeugungen durch das preußische Königshaus. Das „Thürmerlied” [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 183f.] schrieb er – 1840 – anläßlich der Thronbesteigung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., auf den sich gerade auch die politischen und gesellschaftlichen Hoffnungen und nationalen Erwartungen der literarisch-politischen Intelligenz des ‚jungen Deutschland’ richteten.

Thürmerlied

Wachet auf! ruft euch die Stimme
Des Wächters von der hohen Zinne,
Wach auf, du weites deutsches Land!
Die ihr an der Donau hauset,
Und wo der Rhein durch Felsen brauset
Und wo sich thürmt der Düne Sand!
Habt Wacht am Heimathsherd
In treuer Hand das Schwert,
Jede Stunde!
Zu scharfem Streit
Macht euch bereit!
Der Tag des Kampfes ist nicht weit.

Hört ihr‘s dumpf im Osten klingen?
Er möcht‘ euch gar zu gern verschlingen,
Der Geier, der nach Beute kreis‘t.
Hört im Westen ihr die Schlange?
Sie möchte mit Sirenensange
Vergiften euch den frommen Geist.
Schon naht des Geiers Flug.
Schon birgt die Schlange klug
Sich zum Sprunge;
Drum haltet Wacht
Um Mitternacht
Und wetzt die Schwerter für die Schlacht!

Reinigt euch in Gebeten,
Auf daß ihr vor den Herrn könnt treten,
Wenn er um euer Werk euch frägt;
Keusch im Lieben, fest im Glauben,
Laßt euch den treuen Muth nicht rauben,
Seid einig, da die Stunde schlägt!
Das Kreuz sei eure Zier.
Eu‘r Helmbusch und Panier
in den Schlachten.
Wer in dem Feld
Zu Gott sich hält,
Der hat allein sich wohl gestellt.

Sieh herab vom Himmel droben,
Herr, den der Engel Zungen loben,
Sei gnädig diesem deutschen Land!
Donnernd aus der Fuerwolke
Sprich zu den Fürsten, sprich zum Volke,
Und lehr‘ uns stark sein Hand in Hand!
Sei du uns Fels und Burg,
Du führst uns wohl hindurch.
Halleluja!
Denn dein ist heut
Und alle Zeit
Das Reich, die Kraft, die Herrlichkeit.

Geibels Adaption ist erkennbar auf die Vorlage von Philipp Nicolai bezogen. Sie übernimmt nicht nur die Melodie und weitgehend die Strophenform, sondern auch Teile der Lexik aus der ersten Strophe. Das sind für die kontrafazierende Bezugnahme notwendige Materialisierungen. Darüber hinaus ist besonders auch die Aufnahme des Gestus der Erwartung konstitutiv für die Nachahmung; dabei werden nun freilich die heilsgeschichtlichen Erwartungen der Vorlage in die Aufforderung zum Kampf für das ersehnte, sehr irdisch verstandene Reich verändert. Sollte dabei insbesondere die mehrdeutige letzte Zeile des „Thürmerliedes”, eine Übernahme aus dem „Vaterunser”, mit der Geibel die politische Geschichte wiederum mit der Heilsgeschichte aufs engste verknüpft, als eine besonders ‚mißbräuchliche’ Inanspruchnahme religiöser und kirchlich gebundener Sprache für das eigene Anliegen anmuten, dann wäre freilich der ‚Mißbrauch’ in dem außerliterarischen Kontext, in dem das Lied zu sehen ist, längst vorgegeben: in der Biographie Geibels selber wie in der für das damalige Preußen kennzeichnenden Verschmelzung von „Thron und Altar”, auf die ich schon hingewiesen habe.

An dieser Stelle kann die terminologische Arbeit im engeren Sinne wieder einsetzen. Es dürfte deutlich geworden sein, daß im letzten Textfall A. Schönes Bestimmungen des Säkularisationsphänomens ebenso zutreffen wie unsere Überlegungen, beim „Thürmerlied” nicht von „Parodie” zu sprechen (im Unterschied etwa zu Alfred Liede in seinem Artikel im „Reallexikon” von 1958). Man sollte mit A. Schöne von „weltlicher Kontrafaktur” ausgehen. Hierin erweitert sich nun aber der Begriffsumfang von „Kontrafaktur” so, daß eine große Anzahl literarischer Nachahmungen bestimmter Art und Ausprägung, die historisch oder ästhetisch sehr reizvoll und nicht selten aufschlußreich sind, terminologisch ziemlich genau zugeordnet oder zumindest mit Gewinn diskutiert werden kann. 

Indes: Trotz dieser Erweiterung des Begriffsumfangs gibt es noch ein anderes, neues Problem. Es bleibt nämlich unbefriedigend, daß eine lange Reihe von Nachahmungen, deren Nähe zur hier paradigmatisch vorgeführten Gruppe ‚weltlicher Kontrafakturen’ offensichtlich ist, durch die einschränkenden Bezugsgrößen „weltlich – geistlich” bzw. „geistlich – weltlich” von einer Subsumtion unter „Kontrafaktur” ausgeschlossen bleien soll. Nach wie vor erscheinen also F.L.E. Freislebens „An Louisen” (vom Verfasser selbst „Parodie” genannt) oder G. Süverkrüps „Zehn rote Kleberlein” (von den Anthologie-Herausgebern in die Sammlung „Lyrische Parodien” verpflanzt) oder J. Klajs „Parodia Opitiana” (vom Autor selbst generisch bestimmt) als herrenloses Strandgut, sofern man deren Zuordnung zu „Parodie” nicht mehr für sinnvoll hält und dabei zugleich die Zuordnung zu „Kontrafaktur” verneinen sollte. Wie ist dieses, vor allem forschungsgeschichtlich bedingte, terminologische Problem zu lösen? Vereinzelt ist durchaus schon die Forderung erhoben worden, die historisch bedingte Einschränkung des Verfahrens der Kontrafaktur auf den inhaltlichen und zudem auf den einseitigen Bezugsrahmen „christlich und moraliter verendert” aufzuheben. Diese Forderung hat etwa Erwin Rotermund bereits 1963 formuliert24. Ihm vorausgegangen ist Erich Trunz, der in Kommentaren zu Goethes spätem Gedichtzyklus „Westöstlicher Divan” (von 1819) bei den Nachdichtungen der „Divan”-Gedichte des arabischen Autors Hafis von „Kontrafakturen” gesprochen hat: „Man fühlt sich erinnert an Dichter des Mittelalters, die weltliche Gedichte umarbeiteten zu geistlichen ‚Kontrafakturen’; nur sind dies Kontrafakturen anderer Art, westliche zu östlichen”25. Eine ziemlich präzise Textbeobachtung! Dabei braucht uns an dieser Stelle nicht eigens zu interessieren, ob es ratsam ist, Goethes „mit stetem Bezug auf den ‚Divan’ des persischen Sängers” nachkomponierte ‚Divan’-Lyrik tatsächlich ‚Kontrafaktur’ zu nennen. Viel wichtiger ist hier, daß der Ausdruck „Kontrafaktur” benutzt wird ohne die begriffsgeschichtlich einseitige und ohne die terminologisch hemmende Festlegung auf den Bezugsrahmen „christlich und moraliter verendert”. Dieser Umstand kann uns Anlaß sein, nach Möglichkeiten eines von jener historischen Restriktion freien Begriffs „Kontrafaktur” zu suchen. Genau darin aber läge die terminologische Erneuerung eines Begriffs der Literaturgeschichte. Sie wird im übrigen die begriffsgeschichtlichen Explikationen und Unterscheidungen von „Parodie” und „Kontrafaktur” auf den terminologischen Punkt bringen und zu Definitionen der Ausdrücke weiterführen. 

Zweites (gemischt-mediales) Beispiel: Mit diesem vorerst letzten Beispiel möchte ich das begriffliche Problem noch einmal illustrieren und vor allem die Aufhebbarkeit der Restriktion („weltlich-geistlich”, „geistlich-weltlich”) diskutieren. Das dazu ausgewählte Textbeispiel stammt aus der jüngsten Zeit. Trotz seiner Gegenwartsnähe erweist es sich gegenüber Verstehensbemühungen als ziemlich sperrig. In der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 13. Juli 1984 war das folgende Epitaph inseriert: 

„Bürger, kommst Du nach Bonn, sage, Du habest die Bremer Gymnasien sterben sehen, wie das Schulgesetz (§ 3) es befahl.
Eltern und Bürgerinitiative Bremer Gymnasien.
9 Gymnasien sind schon zerstört.
Von noch bestehenden durchgängigen 6 Gymnasien sollen  4 sterben.
Gymnasium am Barkhof/Gymnasium Hamburger Straße/Gymnasium Huckelriede/Gymnasium Kleine Helle

Der literarisch-appellative Teil des Inserats bezieht sich auf ein ‚Epigramm’ des altgriechischen Lyrikers Simonides (ca. 556-468 v. Chr.), neben dem etwas jüngeren Pindar der berühmteste Lyriker seiner Zeit. Simonides soll das Distichon auf die Thermopylen-Kämpfer gedichtet haben – auf jene 300 Spartaner unter Leonidas, die 481 v. Chr. dem riesigen Heer unter Xerxes sich entgegenstellten und schließlich der persischen Übermacht sich beugen mußten. Durch die „Anthologia Graeca”26 (VII, 249) ist das Distichon auf uns gekommen: 
 
 

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In der Übersetzung von Hermann Beckby, dem wir eine feine zweisprachige Ausgabe der „Anthologia Graeca” verdanken, lautet das Epitaph auf die Thermopylen-Kämpfer: 

„Fremdling, bringe den Männern in Sparta die Meldung:
Wir liegen hier im Tode, getreu dem uns gegebenen Befehl.” (7,249)

Allerdings ist hier nun folgendes hinzuzufügen. Das eindringliche Distichon ist über die lateinische Vermittlung durch Cicero in Gestalt der Übertragung Friedrich Schillers in den geistigen Besitz des Bildungsbürgers eingegangen und wurde somit auch, wie selbstverständlich, Prätext der Übernahme im ZEIT-Inserat. Eingebettet in die große Elegie Schillers von 1795 – „Der Spaziergang” – erhielt das Distichon nach dem Erstdruck in Schillers „Horen” für die Buchausgabe von 1800 seine endgültige und in den bildungsbürgerlichen Zitatenschatz übernommene Form und Fassung; sie lautet nun:

„Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.”
(Schiller: „Der Spaziergang”, Vers 97f.)

Mit dem Hinweis auf diesen Textbezug ist freilich nur der geringere Teil der Verstehensprobleme des ZEIT-Inserats aufgehellt. Fragen nach dem Sprecher, dem Adressaten, dem thematischen Austausch und nach dem Sinn der satirischen Pointe, die mit der Textbezugnahme geplant sein könnte, drängen sich auf, ohne daß sie eine zufriedenstellende Antwort erführen. Damit droht natürlich auch die rhetorische Evidenz des Inserats ins Leere zu gehen oder einfach der intendierte Appell um seinen Effekt gebracht zu werden. Wer sieht sich hier im Sinne der Komik der Gegenbildlichkeit in die Rolle des Leonidas und seiner 300 Getreuen gedrängt? Wer wird im Sinne der satirischen Verhöhnung in die Rolle der verwüstenden und zerstörenden Barbaren manövriert? Selbst die Zusatzinformationen (siehe den vollständigen Text des Inserats) – sie verändern übrigens das Epitaph in eine Traueranzeige (Textsortenproblem) – können dem mit den Kontexten nur vage vertrauten Außenstehenden allenfalls andeuten, daß der Text des Inserats ein Stück aus einem „Schulkampf” repräsentiert. Im Hinblick auf die Fragen etwa nach dem Adressaten und dem Appellwert sind sie bei weitem nicht hinreichend. Wie läßt sich beispielsweise die Substitution „Sparta” ð „Bonn” erläutern? Schulpolitik ist doch in die Kulturhoheit der Bundesländer bzw. Stadtstaaten gegeben! Das Epitaph – doch wohl eine ‚Kontrafaktur’ – 

„Bürger, kommst du nach Bonn, sage, du habest die
Bremer Gymnasien sterben sehen, wie das Schulgesetz (§3) es befahl”,

ist offensichtlich durch und durch kontextdeterminiert und soll eine genau gezielte Wirkung erreichen. Diese kann dann nur über eine Kontextanalyse rekonstruiert werden. Ich verarbeite dazu nun brieflich eingeholte Informationen des Bremischen Lehrerverbandes: 

Das bremische Schulgesetz vom 18.02.1975 bestimmt in „Teil I Die Schule” im 2. Kapitel „Entwicklung des Schulsystems” durch §3:„§3 Horizontales GesamtsystemDas bremische Schulwesen ist schrittweise zu einem integrierten, in Stufen gegliederten Gesamtsystem zu entwickeln, zu dem der Primarbereich, der Sekundarbereich I und der Sekundarbereich II gehören.”

Dieser §3 formuliert den Grundsatz einer Kultuspolitik, die mit der Zielsetzung, die Schule zu einem wesentlichen Träger einer sozialen Integration der Gesellschaft zu machen, einen Prozeß eingeleitet hat, an dessen Ende das gängige Schulsystem nach Schularten in ein solches nach Altersstufen umgewandelt sein sollte. Entsprechend sollten in den folgenden Jahren mit Ausnahme zweier bürgerlicher Traditionsschulen alle Gymnasien abgeschafft werden – das ist der Kontext der Phrase „die Bremer Gymnasien sterben” im inserierten Epitaph.

Auf diesen Entscheidungen und Vorgängen fußten nun mindestens zwei Befürchtungen der „Eltern- und Bürgerinitiative Bremer Gymnasien”: Zum einen nähme die von der Bremischen SPD bestimmte Schulpolitik um der makropolitischen Zielsetzung willen zum Schaden der Kinder Abstriche hinsichtlich der „herkömmlichen” Lernleistung von Schülern in Kauf. Zum anderen war die Sorge nicht gering, daß von der Umwandlung der Schullandschaft besonders die Gymnasialschüler betroffen seien, die bislang einen durchgehenden Bildungsgang von der 5. bis 13. Klasse an einer Schule nach einem Lehrplan bei Gymnasiallehrern hatten und die nun drei verschiedene Schulen mit jeweils verschieden ausgebildeten Lehrern zu besuchen hätten. Diese Befürchtungen bestimmen nachhaltig den appellativen Status des inserierten Epitaphs. 

Es fehlt noch eine Explikation, erläuterungsbedürftig ist die Substitution „Bonn”. Zur Zeit des Schulkampfes bemühte sich die Bremer SPD-Regierung um Bundeshilfe aus Bonn für die notleidende Bremische Wirtschaft (man denke etwa an das sog. „Werftensterben”). Von vielen CDU-Politikern bis hin zum damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens – einst Schüler eines Bremischen Gymnasiums – wurde mehr oder weniger deutlich Kritik an der Bremischen Schulpolitik geäußert. Und damit dürfte die hermeneutische Dunkelheit aufgehellt sein: Das Epitaph der Eltern- und Bürgerinitiative Bremer Gymnasien ist in Richtung Bonn adressiert und artikuliert einen Appell an die damalige neue Bundesregierung nach der „geistig-moralischen Wende”, mittels ökonomischen Drucks eine Änderung in der Bremischen Schulpolitik zu erzwingen. Dabei soll der ständige Rückbezug auf den altehrwürdigen Mustertext des Simonides-Epitaphs nicht nur die Dimension des historischen Ereignisses, sondern auch jene Schulpolitik in komischer Übertreibung als Ansturm der Barbarei konnotieren lassen.

Mit der letzten Bemerkung ist auch schon die Funktion des Rückbezugs auf einen nahezu sakrosankten Text der Antike bzw. deutschen Klassik angedeutet. Das Gymnasium, fast zwei Jahrhunderte Hüter der Bildungsidee Humboldtscher Prägung, will sich der Unterstützung einer gewissen Bildungspolitik versichern. Und damit bin ich auch schon beim Textsorten- und Schreibweisenproblem: Eine derartige Indienstnahme ‚klassischer’, d. h. aus der antiken Klassik stammender und in der Weimarer Klassik kanonisierter Überlieferung kann deren Anspruch und persuasives Potential sinnvollerweise nicht einschränken wollen – im Gegenteil. Hier wird die Bedeutung, der Rang des autoritativen Wortes ganz wie im „Silbermarkenevangelium” ausgenutzt und gegen einen faktischen bzw. vermeintlichen Mißbrauch gewendet. Und diese Vorgehensweise wiederum bedeutet im Hinblick auf die Klassifizierung eines Textes folgendes: Da diesem ein dem „Evangelium secundum marcas argenti” völlig vergleichbares Verfahren zugrunde liegt und nur die „Objekte”, auf die es angewendet wird, verschieden sind, wäre eine Zuweisung zu ein und demselben Verfahren ‚Kontrafaktur’ eigentlich naheliegend – ja wenn nicht die historisch überkommene Restriktion „weltlich” – „geistlich” bzw. „geistlich” – „weltlich” im Wege stünde. Muß sie aber eigentlich im Wege stehen? 

Bereits 1963 hat Erwin Rotermund – ich deutete es schon an – leider nur beiläufig gemeint: „In einem weiteren Sinn kann man den Terminus [sc. ‚Kontrafaktur’] auch auf andere Verhältnisse als auf die historisch bedingte Beziehung ‚geistlich’ – ‚weltlich’ oder ‚weltlich’ – ‚geistlich’ anwenden”27. Rotermund sah dabei seine Auffassung nicht zuletzt auch durch einen wesentlichen Unterschied zwischen Parodie und Kontrafaktur bestätigt: „Die Kontrafaktur soll eine neue ästhetische Einheit von imitierten, veränderten und hinzugefügten Elementen darstellen”28. Diese durchaus treffende Beobachtung läßt sich über eine geringfügige Umformulierung leicht in eine definitionsähnliche Explikation von „Kontrafaktur” übernehmen. Dazu dann später. Gerade auch E. Rotermunds Postulat der Aufhebung jener historisch bedingten Restriktion kann durch eine ganz andere und bisher nicht gesehene bzw. genutzte Geschichte der Wortverwendung von „Kontrafaktur” verstärkt werden. Und somit komme ich zu einem dritten Aspekt dieser Wortverwendungsgeschichte, die in dem „Kontrafaktur”-Buch von Witting/Verweyen 1987 zum ersten Mal belegt worden ist und hier in knappen Hinweisen dargestellt sein muß.

Drittens: „Contrafactur”
In dem spätbarocken lexikalischen Werk „Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz” aus dem 1691 – sein Autor ist Kaspar Stieler (1632-1707), der Verfasser der galanten Gedichte „Die geharnschte Venus” und einer Reihe stilistischer, grammatikalischer und lexikalischer Handbücher – findet sich unter dem Wort „Nachbilden” u. a. folgender Eintrag:29

K. Stieler:
„Nachbilden / imitari, repraesentare: appellant hodiè konterfeyen / à Gallico contrefaire, qvod propriè significat contrafacere, aemulari: Etwas machen / das eben so gut ist / qvasi dicas: In faciendo invicem certare”.30

Dieser spätbarocke Lexikon-Eintrag ist in vielfacher Hinsicht hochinteressant. Zunächst einmal enthält er mit „imitari” und „aemulari” zwei Schlüsselbegriffe der antik-lateinischen, humanistischen und barocken Poetik; in ihrem poetologischen Zusammenhang gewinnt selbstverständlich dann auch die Bedeutung des Verbs „contrafacere” eine eigene ‚Färbung’, die mit der Bedeutung der Synonyme im hier angegebenen begrifflichen ‚Feld’ aufs engste zu tun hat. Sie ist in der literaturwissenschaftlichen Diskussion bislang nicht gesehen und nicht in Erwägung gezogen worden. Der Ausdruck „Kontrafaktur” bezeichnet nach diesem Eintrag nicht ‚ein Gegenstück zu’, ‚einen Gegenentwurf zu’ etwas Gegebenem; der Ausdruck „Kontrafaktur” hat vielmehr eine Bedeutung im Sinne von ‚Widerspiegelung’, ‚Abbildung’, ‚Nachahmung’. Entgegen allen neueren (vorwissenschaftlichen) Etymologisierungen, die auf der Annahme beruhen, das präpositionale Element „contra” im Kompositum „Kontrafaktur” bezeichne einen Gegensatz, zeigt „contra” die Bedeutung im Sinne von ‚wider’ wie in „Widerspiegelung” an: 

Die Bedeutung von „contra” ist hierin analog der additiven, nicht der adversativen Bedeutung von „para” in dem Kompositum „Parodie”.

Eine durchschlagende Bestätigung findet diese lexikalische Bedeutung bei K. Stieler in der Anführung von „konterfeyen” als Synonym für „contrafacere”, wobei „konterfeyen” als Lehnwortbildung zum frz. „contrefaire” zu betrachten ist. Schematisch lassen sich die Beobachtungen wie folgt darstellen:
 
 

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Danach ist „Kontrafaktur” zunächst einmal ein Ausdruck der Porträtkunde. Dafür einige – zunächst unscheinbare – Belege aus einer ganzen Legion von Nachweisen. Beispielsweise in einem Epigramm aus dem „Cherubinischen Wandersmann” von 1657:

„Daß Conterfect Gottes.
Ich weiß Gotts Conterfect: Er hat sich Abgebildt,
In seinen Creaturn, wo du’s erkennen wilt.”
(Erläuterung: „Conterfect”: eine dem mittellat. „contrafactum” nahestehende Lehnwortbildung)

Angelus Silesius spielt hier zwischen Überschrift und Zweizeiler ‚spitzfindig’, wie es in der humanistisch-barocken Poetik heißt, das Schöpfungswort der Genesis aus, in dem der Mensch als Ebenbild Gottes eingesetzt wird.

Ein zweiter Beleg aus einem barocken Herrscherlob, und zwar aus einer panegyrischen Ode Georg Rudolf Weckherlins auf den Fürsten Moritz von Oranien. In ihr gibt der Dichter vor, viel zu schwach zu sein, um dessen „lob zu singen”, um dann den von der ‚Gattung’ Herrscherlob vorgeschriebenen Unsagbarkeitstopos um so „spitzfindiger” einzusetzen:

„So ist es auch allein billich
Appelli / vnd sunst keinem andern /
Zu contrafehen aigentlich
Dich / einen wahren Alexandern”.

Fürst Moritz von Oranien wird in diesem Panegyricus mit Alexander dem Großen verglichen. Alexander zu malen, war aber nach dem Zeugnis der antiken Autoren Horaz und Plinius d.Ä. nur Appelles erlaubt. Diesem Maler war die unnachahmliche Gabe verliehen, Bilder von solch vollkommmener Ähnlichkeit herzustellen, daß sich z. B., wie Plinius erzählt, Pferde durch ein von ihm gemaltes Bild täuschen ließen und es anwieherten. Naturgetreues ‚Nachbilden’ ist hier also die Bedeutung des Ausdrucks „contrafehen”.

Dies gilt auch für einen Beleg unter vielen aus dem 16. Jahrhundert. Am Totenbett Kaiser Maximilians I. (gestorben 1519) zeichnet ein Welser Meister dessen Totenbild, das in dem „Ehrenspiegel des Hauses Habsburg” überliefert ist. Im Schriftfeld des Bildes heißt es:

„Aigentlich Connterfettung deß Römischen Kaisers Maximiliani alß er verschieden.”

Mit „Konterfei”, „Conterfect”, „contrafehen”, „Connterfettung” usw. ist, wie es auch heute noch der archaisch gewordene Ausdruck „Konterfei” anzeigt, die naturgetreue Abbildung gemeint.

Für diese hier zunächst belegte Verwendung von „Kontrafaktur” als Terminus der Poträtkunde will ich abschließend noch zwei einzigartige Zeugnisse anführen. Den ersten Beleg bildet das von seinem Verfasser C. Reusner selbst so genannte „Contrafacturbuch” von 1587. Dieses gibt „Ware vnd Lebendige Bildnussen etlicher weitberhümbten vnnd Hochgelehrten Männer in Teutschland” wieder: nämlich 102 Porträts von Ptolemäus und Albertus Magnus über Jan Hus, Savonarola, Reformer, Protestanten, Reformierte und Humanisten (z. B. das des Erasmus von Rotterdam) bis hin zu Johann Fischart und zu Gelehrten des 16. Jahrhunderts. Im Bild- und Textanhang des „Kontrafaktur”-Buches von G. Witting und Th. Verweyen ist in Faksimile das Titelblatt dieses Buches reproduziert31. In der Dedikation dieser Porträtgalerie – übrigens eine antiquarische und bibliophile Rarität – an den Schatzmeister von Bern beruft sich der Straßburger Buchdrucker und Verleger des „Contrafacturbuches” auf das Vorbild der „Alten”, um verdienstvolle Männer, wie es dann weiter heißt, in „eigentlichen Contrafacturen” dem Vergessen zu entreißen. Dabei hebt er die Kunst der „Abconterfeter” rühmend an keinem Geringeren als dem jüngeren Hans Holbein (1497-1543) hervor – jenem Maler und Zeichner, der zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Dürerzeit gehört und dessen Bildnisse eines Erasmus, des englischen Königs Heinrichs des VIII., der Anna Boleyn oder Christine von Dänemark als von „unbestechlicher Sachlichkeit” gemalte Porträts gelten. Der Verleger betont indes nicht nur die Kunst Holbeins, sondern auch deren breitenwirksame Bedeutung: seine „künstliche gemähl vnd Contrafacturen (seien) in Teutsch vnd Engelland (...) weitleuffig außgespreitet zu finden”; dazu rechtfertigt der Verleger zu „zierlicher außfertigung” der Porträts die vierzeiligen „Elogia vnd Lobsprüch” N. Reusners, mit denen „solchen abgestorbenen stummen Conterfacturen gleichsam das leben / vnd die Red widerumb gegeben” werde.

Zu diesem Porträtwerk ist – und damit komme ich zum zweiten einzigartigen Zeugnis – die „Kostümbiographie” des Augsburgers Matthäus Schwarz hinzuzunehmen, des Buchhalters der Fugger von 1516 bis zu seinem Lebensende 1574. Das von M. Schwarz 1520 begonnene, erste Geschichtsbuch der Kostümkunde ist in der Kulturgeschichtsschreibung als Ausdruck der „Gefallsucht seines Schöpfers”, des Interesses am „Wandel der Mode” und an „bürgerlicher Selbstdarstellung” charakterisiert worden und darin gewiß ein kennzeichnendes Dokument seiner Epoche. Uns interessieren näherhin die 137 Kostümbilder des Buches. Schwarz hat sie im Bildfeld wiederholt mit handschriftlichen Bemerkungen versehen, z. B.: „Das angesicht ist recht controfatt”. Der in dieser Form hier durchgehend benutzte Ausdruck ist an „contrafatto” (an das italienische Äquivalent des frz. „contrefait”) angelehnt – gewiß ein Niederschlag der kaufmännischen Lehrjahre M. Schwarz’ in Oberitalien von 1514 bis zum Eintritt in den Dienst der Fugger 1516. „controfatt” wird dabei nicht nur für die naturgetreue Nachbildung des Angesichts verwendet, sondern nicht weniger häufig auch für die „Kleidungen” und deren modische Veränderungen: „trachten controfatt” heißt es beispielsweise für Kostüme vor 30, 40 oder 50 Jahren, für die sich Schwarz in Erzählungen der „allten” besonders interessiert. „Kontrafaktur” ist somit nicht nur ein Ausdruck der Porträtkunde und -malerei, sondern auch der Kostümkunde. Und er ist darin insbesondere und vor allem anderen ein bestimmte Abbildungsrelationen bezeichnender Ausdruck.

Diese Feststellung gilt selbst noch in Fällen ex negativo, in denen „Konterfeit” zunächst ein Terminus der Schmelzkunde war und die Legierung des Goldes oder eines anderen Edelmetalles meinte, aber bald auch die Bedeutung der 'trügerisch ähnlichen Nachbildung' erhielt und in dieser Variante der wortgeschichtlichen Verwendung etwa in Texten der mittelalterlichen Lyrik und Epik gegeben ist.

So unterschiedlich die jeweilige Lautgestalt des Ausdrucks auch sein mag, der zugeordnete Inhalt bleibt stets der gleiche. Denn wie selbst noch Martin Luthers metaphorische Verwendung zeigt, ist der Ausdruck hier nichts anderes als ein Synonym für „Ebenbild”; etwa in folgendem Beleg: „die rede ist eyn ebenbild odder controfeyt bild des hertzens”; oder auch in dem folgenden Beleg: „man heissts jtzt controfect, wenn ein bilde eben vnd gleich gemacht ist dem, des bilde es ist”. Für Luther ist hier übrigens der Ausdruck ein Neologismus („man heissts jtzt”), bürgert sich für ihn erst zu seiner Zeit, also in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein.

Zu einem fixen Terminus wurde „Contrafactur” dann auch in der Graphik, und hier speziell in der Vedutenkunst, also in der Kunst der Stadt-, Schloß-, Burgansicht. Im Hinblick auf den engen literarhistorischen Gebrauch des Ausdrucks für die geistliche Umdichtung eines weltlichen Liedes muß es schon eine überraschende Entdeckung sein, was sich in der 1643 erschienenen „Topographia Sueviae” von Matthäus Merian (1593-1650), dem berühmtesten Kupferstecher und Radierer seiner Zeit, finden ließ: beispielsweise eine Darstellung „der Statt Costantz am Bodensee” [vgl. Verweyen/Witting, Die Kontrafaktur, S. 12, nach vergleichbaren Merian-Ausgaben.]

Die Bildüberschrift zu dieser Radierung enthält die Angabe „Eigentliche Contrafactur”. Blättert man nun das Topographienwerk Merians auf diesen Wortgebrauch genauer durch, erweist er sich keineswegs als Einzelfall. In der Topographie des Elsaß beispielsweise kann man den Hinweis lesen „Eigentliche Contrafactur der Statt Breysach, wie solche von Mittag gegen Mitternacht an zu sehen”. Und das ganze Topographienwerk Frankens von 1648 führt schon im Kupfertitel an: „Beschreibung, Und Eygentliche Contrafactur der Vornembsten Stätte / Und Plätze”. Ganz besonders des Festhaltens wert ist hierbei eine Unterscheidung, die bei der Wiedergabe der Stadt Breisach getroffen wird: es wird unterschieden zwischen der „eigentlichen Contrafactur” der Stadt und ihrem in einem weiteren Stich angelegten „eigentlichen Grundriß”. Ein Vergleich beider Darstellungen läßt nämlich erkennen, daß im Gegensatz zum abstrahierenden Grundriß mit der Kontrafaktur Augenfällig-Ähnliches abgebildet werden sollte.

Diese Annahme wurde durch weitere Funde bestätigt. Beispielsweise durch ein zeitgenössisches Emblemwerk, bei dem der Bildhintergrund des einzelnen Emblems aus einer Vedute besteht. Der Mitherausgeber des Werkes E. Kieser begründet die Weiterführung des Werkes nach dem Tode seines Kompagnons D. Meisner mit einem in unserem Zusammenhang interessanten Hinweis auf die „barocke Augenlust”:

„dieweil ich noch vieler Schöner Stätte / Vestungen / Schlösser / Clöster vnd anderer Gelegenheiten / Lebendige Contrafacturen / vber die Vorigen vnnd Publicirten bey handen / welche ich dem Kunstliebenden Leser / der lieber im Buch / dann mit grossem Costen vnd beschwerlichen Reysen / von einer Stat vnd Ort zum andern Spatziret / gern vor Augen stellen / vnd jhm damit belüstigen wöllen”.

c) Resümee

An dieser Stelle breche ich die Belegreihe ab und gebe ein Resümee. Die begriffs- oder besser wortverwendungsgeschichtliche Skizze sollte die unbefriedigende literaturwissenschaftliche Verwendung des Ausdrucks „Kontrafaktur” belegen, die sich wohl allein an einer aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts überlieferten Handschrift aus dem Frauenkloster Pfullingen orientiert. Die Beschränkung des Terminus „Kontrafaktur” auf die thematische Relation „weltlich – geistlich” erweist sich schon aus einem sehr handgreiflichen Grund als problematisch und revisionsbedürftig: Albrecht Schöne führt ihn als einen Beschreibungsterminus ein, der gerade auf der Umkehrung der thematischen Relation („geistlich – weltlich”) basiert. Geistlicher Kontrafaktur steht danach die weltliche Kontrafaktur gegenüber. Dadurch ist die Anwendbarkeit des Ausdrucks erheblich erweitert. Daß aber selbst diese noch zu eng und zu einseitig geblieben ist und ihn für die Beschreibung neuzeitlicher Beispiele nur begrenzt brauchbar macht, muß aufgrund der historischen Recherchen zu „Contrafactur” festgehalten werden. Mit dieser Feststellung ist die Bestimmung der weltlichen Kontrafaktur als einer Säkularisationsform nicht in Frage gestellt; indes handelt es sich dabei nur um eine unter mehreren möglichen Funktionsbeschreibungen von Kontrafakturen, die zudem nicht allein im Rahmen der Literaturgeschichte vorzunehmen sind. Der Gebrauch des Ausdrucks „Kontrafaktur” in den verschiedenen und zugleich vielen außerliterarischen Bereichen des kulturellen Kontextes von der Münz-, Trachten- und Porträtkunst über die Graphik und Städteansicht bis hin zur Schilderungskunst historischer Vorgänge läßt vielmehr einen gemeinsamen Aspekt erkennen: die Betonung des „Augenfällig-Ähnlichen”! Dieser Aspekt legt es nahe, die durch die Relation „weltlich – geistlich” bzw. „geistlich – weltlich” formulierten Restriktionen aufzugeben. Die (literaturgeschichtlich) externen Beispiele der Wortverwendung von „Kontrafaktur” können dazu ermuntern, gegen eine keineswegs ehrwürdige literaturwissenschaftliche Tradition den Affront zu riskieren. Denn gemessen an dem reichhaltigen, hier nur in Auswahl wiedergegebenen externen Belegmaterial ist die Verwendung des Ausdrucks im Zusammenhang mit Literatur und Texten zunächst mehr als spärlich und peripher. Und wenn auch die externen Beispiele der Wortverwendung natürlich nicht ohne weiteres zu übernehmen sind, können sie dennoch Anlaß sein, die terminologische Erneuerung eines Ausdrucks der Literaturgeschichte anzustreben.


1In: HA 7, 41959, S. 146: III, 1.
2Paul Requadt: Die Bildersprache der deutschen Italiendichtung von Goethe bis Benn, Bern u. München 1962, hier S. 17f.
3In: HA 7, 41959, S. 145.
4Vgl. Th. Verweyen u. G. Witting: Die Kontrafaktur. Vorlage und Verarbeitung in Literatur, bildender Kunst, Werbung und politischem Plakat, Konstanz 1987 (= Konstanzer Bibliothek: 6), hier Kap. IV. 2, S. 98-101.
5Hans Hartje: Eine geistliche Kontrafaktur zu Mignons Sehnsuchtslied, in: Euphorion 20, 1913, S. 743.
6P. Beyer: Art. „Kontrafaktur”, in: RL, Bd. 2, Berlin 1926/28, S. 129f.
7Georg Reichert: Art. „Kontrafaktur”, in: RL, Bd. 1, Berlin 21958, S. 882f.
8Kurt Hennig: Die geistliche Kontrafaktur im Jahrhundert der Reformation. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Volks- und Kirchenliedes im 16. Jahrhundert, Halle a.S. 1909, S. 5f.
9Anstelle des Titels Anfangsformel alter Hss., Buchrollen und Frühdrucke.
10Verweyen/Witting: Die Kontrafaktur, 1987, S. 256.
11Paul Lehmann: Die Parodie im Mitelalter, 2., neu bearb. und erg. Aufl., Stuttgart 1963, S. 25.
12Carmina Burana. Die Lieder der Benediktbeurer Handschrift. Zweisprachige Ausgabe, München 1979 (= dtv 2063), S. 957.
13Carmina Burana, S. 847; dazu CB Nr. 41.
14Vgl. Lehmann: Die Parodie im Mittelalter, S. 34f.
15Arnold Schering: Über Bachs Parodieverfahren, in: Bach-Jahrbuch 18, 1921, S. 49-95, hier S. 49.
16Ebd., S. 50.
17Ebd., S. 51.
18Ebd., S. 52.
19Albrecht Schöne: Säkularisation als sprachbildende Kraft, Göttingen (1958) 21968 (= Palaestra: 226), S. 30.
20Ebd., S. 181-224: Kap. Weltliche Kontrafaktur”.
21Ebd., S. 295-298.
22Herbert Schöffler: Die Leiden des jungen Werther. Ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund (1938), in: ders., Deutscher Geist im 18. Jahrhundert. Essays zur Geistes- und Religionsgeschichte, Göttingen 21967, S. 155-181, hier S. 176ff.
23Schöne: Säkularisation, S. 296f.
24Erwin Rotermund: Die Parodie in der modernen deutschen Lyrik, München 1963, S. 24.
25Goethes Werke, HA, Bd. 2, textkritisch durchgesehen und mit Anm. versehen v. Erich Trunz, Hamburg (11949) 41958, S. 539.
26„Anthologia Graeca“: Sammlung von sog. Epigrammen verschiedener Dichter von der Zeit der Perserkriege bis zum byzantinischen Mittelalter. Ihr Kernstück ist der sog. „Kranz des Meleagros“ aus dem 1. Jh. v. Chr.
27Rotermund: Die Parodie, 1963, S. 24.
28Ebd., S. 24.
29Alle folgenden Belege nach Verweyen/Witting: Die Kontrafaktur, 1987: Kap. I.
30Verweyen/Witting: Die Kontrafaktur, 1987, S. 13.
31Verweyen/Witting: Die Kontrafaktur, 1987, S. 257.

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Created: 20.09.1997
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