Theorie
und Geschichte der Parodie / Teil III
von Theodor
Verweyen
Inhaltsverzeichnis:
I.
Einführung und Begründung des Vorlesungsgegenstandes
II.
Begriffsgeschichten und Begriff:
1. „Parodie”: Geschichte der Wortverwendung
II.
Begriffsgeschichten und Begriff:
2. „Kontrafaktur”: Terminologische
Erneuerung eines Begriffs der Literaturgeschichte
II.
Begriffsgeschichten und Begriff:
3. Terminologische Entscheidungen
zu „Parodie” und „Kontrafaktur”
II.
Begriffsgeschichten und Begriff:
4. Parodie und Urheberrecht
III.
Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer
Zeit‘
III.
Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer
Zeit‘ / 1. Die pseudo-homerische „Batrachomyomachia” als Beispiel hellenistischer
Epos-Parodie
III.
Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer
Zeit‘ / 2. Die Parodie im Mittelalter: am Beispiel parodistischer Verarbeitungen
in Heinrich Wittenwilers „Der Ring”
III.
Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer
Zeit‘ / 3. „Die Dunkelmännerbriefe” („Epistolae obscurorum virorum”):
ein Beispiel humanistischer Satire und Parodie
III.
Geschichte der literarischen Parodie:
Parodistische Paradigmen ‘vor unserer
Zeit‘ / 4. Parodie und Travestie im barocken Roman: Grimmelshausens „Simplicissimus
Teutsch”
IV.
Geschichte der neueren deutschen Parodie
IV.
Geschichte der neueren deutschen Parodie:
1. Friedrich Nicolai: „Eyn feyner
kleyner Almanach” - Parodie aus dem Geist der Aufklärung
IV.
Geschichte der neueren deutschen Parodie:
2. Die Parodie als Klassik-kritisches
Mittel: am Beispiel einer Schiller-Parodie A.W. Schlegels aus der Zeit
um 1800
IV.
Geschichte der neueren deutschen Parodie:
3. Parodistische Literaturkritik im
19. und 20. Jahrhundert: von Ludwig Eichrodt bis Eckhard Henscheid
Literaturhinweise
Lenore
fuhr ums Morgenrot
Die Parodie-Sammlung der Erlanger
Liste.
3.
Die „Dunkelmännerbriefe” („Epistolae obscurorum virorum”): ein Beispiel
humanistischer Satire und Parodie
a) Vorbemerkungen
Als der Gymnasialrektor Christoph Cellarius
(1634-1707) sein Kompendium der alten Geschichte nach 1675 zum zweiten
Mal 1685 herausbrachte, nahm er weitreichende Änderungen vor: Das
erste Mal führte er das Kompendium bis Christi Geburt, das zweite
Mal bis zu Konstantin (Anfang 4. Jh.).
Zuerst folgte Cellarius der heilsgeschichtlichen
Periodisierung der Weltgeschichte, die in der Patristik entwickelt und
im sog. „Mittelalter” maßgeblich wurde und unsere Zeitrechnung „nach
Christi Geburt”, so wie sie Dionysius Exiguus um 525 errechnete, noch heute
bestimmt. Bei der Weiterführung des Kompendiums 1685 verwendete Cellarius
jedoch die Periodeneinteilung der humanistisch verstandenen Bildungsgeschichte
in Antike, Mittelalter und Neuzeit und projizierte sie – erstmals universalhistorisch
verallgemeinert – auf die Staatengeschichte. Die von Konstantin bis zur
Eroberung Konstantinopels (1453) reichende Zeit beschrieb Cellarius sodann
(1688) als die „barbarischen Jahrhunderte” des „medium aevum”. Daran schloß
er (1693) die Darstellung der „historia nova” an. Mit dieser nunmehr profanen
Epocheneinteilung der Weltgeschichte hat Cellarius in der Geschichte der
Geschichtsschreibung selber Epoche gemacht. Seine Trias hat sich durchgesetzt.
Ich brauche hier nicht die skeptische
Feststellung des Historikers zu erörtern, daß sich diese triadische
Epocheneinteilung der Weltgeschichte in Antike, Mittelalter und Neuzeit
„mit mehr Erfolg als Recht” durchgesetzt habe. Das ist von dem Freiburger
Historiker und Mediävisten Dieter Mertens, dem ich soeben folgte,
in einer umfänglichen Abhandlung über die „Geschichte der politischen
Ideen im Mittelalter” unternommen worden.1Interessant
ist für uns vielmehr die Charakterisierung der Jahrhunderte des sog.
„medium aevum” als „barbarisch”. Sie ist selbstverständlich nicht
einfach nur ein Einfall Christoph Cellarius’; sie geht vielmehr auf Einschätzungen
eines historischen Prozesses zurück, denen die unmittelbare und in
der Regel erschütternde Erfahrung von Umbruch und epochaler Ereignishaftigkeit
zugrundeliegt. Ich will, um den Übergang von diesen allgemeineren
Bemerkungen zum speziellen Thema zu verkürzen, für unseren Problemzusammenhang
nur an ein Zeugnis – freilich von besonderem Zeugniswert – anschließen:
an einen Brief von Ulrich von Hutten an Willibald Pirckheimer vom 25. Oktober
1518, „worin er über sein Leben Rechenschaft ablegt”. (Mit dem Namen
Willibald Pirckheimer bewegen wir uns natürlich wieder im kulturgeschichtlichen
Raum der hiesigen Stadtlandschaft und Urbanität: Nürnberg.) Bei
diesem Schreiben handelt es sich, wie angedeutet, nicht um einen beliebigen
Brief, sondern um eines der bedeutendsten Selbstzeugnisse des deutschen
Humanismus, dessen Vertreter selbst sich als Neuerer und ‚Aufklärer’
in Wissenschaft, Kultur und Lebenswelt verstanden haben. Der ritterliche
Humanist erhebt sich in seinem Rechenschaftsbericht über die Vorurteile
seiner adeligen Standesgenossen gegenüber gelehrter Bildung und läßt
als wahren Adel nur den des Charakters und der Vorzüge des Geistes
gelten. Insgesamt ist das Schreiben ein mutiges Bekenntnis zu kämpferischer
Aktivität im Geiste der humanistischen Ideen. Ulrich von Hutten, nach
zwölfjähriger entbehrungsreicher Wanderzeit (1505-1517) in den
Dienst des Erzbischofs Albrecht von Mainz getreten – der den mit kaiserlichem
Dichterlorbeer gekrönten Humanisten förderte –, folgte seinem
Dienstherrn und Mäzen im Sommer 1518 auf den Reichstag nach Augsburg,
wo der Brief an Pirckheimer geschrieben wurde. Darin heißt es (und
damit nehme ich die Charakterisierung der Jahrhunderte des „medium aevum”
als „barbarische” wieder auf):
U. v. Hutten an W. Pirckheimer am 25.10.1518:2
„Wilhelm Budaeus,
der gelehrteste Adlige und edelste Gelehrte in ganz Frankreich, setzt seine
Anmerkungen zu den Pandekten fort. Ich geriet außer mir vor Freude,
als ich es hörte. Da hast du gleich zwei Herkulesse auf einmal als
Bekämpfer der entsetzlichsten Übel und ‘sozusagen dreifache Abwehrer
des Bösen‘, den Budaeus und den Erasmus, ich würde alles andere
eher tun, als daß ich es wagen wollte, zwischen ihnen einen Vergleich
anzustellen. Der eine hat in Frankreich die Brut des Accursius bekämpft
und das Geschlecht der Bartholisten ausgerottet, der andere die Barbaren,
die blauen Dunst der Theologie vormachen, mit entschlossenem Angriff besiegt
und die Heilige Schrift wieder an den Tag gebracht und Licht in sie gebracht.
Nimm noch den Faber (d‘ Étaples) hinzu, der mit seiner Aristoteleserklärung
die Philosophie ausgezeichnet etabliert hat; ferner denke an Copus und
Ruellius; der eine hat den Dioskorides, der andere den Galen erklärt.–
O Jahrhundert!
O Wissenschaften! Es ist eine Lust zu leben, wenn man auch noch nicht ausruhen
darf, Willibald. Die Studien blühen auf, die Geister regen sich. He
du, Barbarei, nimm einen Strick und erwarte deine Verbannung!”
In der Kommentierung der Pandekten
durch den französischen Humanisten Wilhelm Budaeus, der gegen die
scholastischen Anhänger der mittelalterlichen Juristen Bartholus und
Accursius auftrat, sieht hier Hutten nicht nur eine neue Ära der Rechtswissenschaften
eingeleitet; in der erneuten, verbesserten Herausgabe des griechischen
Neuen Testaments durch Erasmus von Rotterdam (1518) erkennt Hutten nicht
bloß eine bahnbrechende theologiegeschichtliche Tat; in der Aristoteles-Kommentierung
des Pariser Theologen Faber Stapulensis (Lefèvre d’Etaples) sieht
Hutten nicht allein eine philosophiegeschichtliche Leistung innerhalb der
Philosophie; in den Bemühungen der Ärzte Wilhelm Copus und Joachim
Ruellius kündigt sich für den zu dieser Zeit an einem schweren
Syphilisleiden erkrankten Hutten nicht nur eine neue, gegen das galenische
Lehrsystem gerichtete medizinische Praxis an. Das alles hätte freilich
für sich schon ausgereicht, Bewunderung hervorzurufen. Nein, mehr
noch: Für den führenden humanistischen Publizisten und Dichter
reichsritterlicher Herkunft aus altem fränkischen Geschlecht waren
dies alles sichere Anzeichen des gewissen Untergangs der „barbarischen
Jahrhunderte”, der seit dem frühen italienischen Humanismus immer
wieder als „finstere Zeiten” verschrieenen Epochen. In einem solchen –
wenn auch nur skizzenhaft angedeuteten – Kontext wird nun vielleicht der
unmittelbare Anlaß der „Dunkelmännerbriefe” verständlicher.
b) Der Pfefferkorn-Reuchlin- oder
Hebraismus-Streit
Dieser Streit führt uns mitten
in die epochale Auseinandersetzung der Humanisten mit den sog. „finsteren
Zeiten”. Hinein geriet in diesen keineswegs aus nichtigem, aber aus sehr
speziellem Anlaß entstandenen und zu nicht vorhersehbaren Ausmaßen
sich entwickelnden Streit der Gelehrte Johannes Reuchlin, wenn Sie mir
diesen etwas arg saloppen Vergleich nicht verargen, wie die Marquise von
0. an ihr Kind. Ein 1502 zum Christentum übergetretener Kölner
Jude, Johannes Pfefferkorn (1469-1522/23), fühlte sich bemüßigt,
mit Wort und Tat gegen seine ehemaligen Glaubensgenossen vorzugehen – ob
nun aus fanatischem Konvertiteneifer, aus Gründen kultureller Assimilation
oder aus Opportunismus, das mag hier dahingestellt bleiben. In vier Schriften
(dem „Judenspiegel”, der „Judenbeicht”, dem Büchlein „Wie die blinden
Juden yr Ostern halten” und dem „Judenfeind”: Schriften, die alle zwischen
1507 und 1509 in Köln erschienen sind) bezichtigte Pfefferkorn mit
von Schrift zu Schrift zunehmender Schärfe die Juden der Wucherei
und des Christenhasses. Er forderte, die Juden sollten ihre hebräische
Literatur ausliefern, besonders den „loegenhafftighen, bedriegelichen und
valschen” Talmud. An der Übertragung dieser vier Veröffentlichungen
ins Lateinische (gedruckt 1508/1509) beteiligte sich Ortwin Gratius, Theologe
und Professor der „schönen Wissenschaften” zu Köln. Einen besonders
bedenklichen Zuschnitt erhielt die ganze Angelegenheit vor allem in dem
Augenblick, als es Pfefferkorn im August 1509 gelang, ein Mandat Kaiser
Maximilians I. zu erwirken. Das ermächtigte ihn, alle Judenbücher
einzuziehen, die vermeintlich gegen den christlichen Glauben gerichtet
seien und dem eigenen Gesetz der Juden zuwiderlaufen würden. Als Pfefferkorn
sich an die Konfiskation machte, erhob der Mainzer Erzbischof Uriel von
Gemmingen Einspruch, so daß der Kaiser diesem in einem neuen Mandat
vom November 1509 die Angelegenheit mit der Anweisung übergab, Gutachten
einzuholen.
Von den vier befragten Universitäten
trat Köln sofort für Pfefferkorn ein; die Universitäten
Mainz und Erfurt schlossen sich den Kölnern an. Lediglich Heidelberg
enthielt sich der Stimme, da es die Angelegenheit für noch nicht spruchreif
hielt. Als individuelle Sachverständige wurden herangezogen der Kölner
Dominikaner und Großinquisitor Jacob van Hoogstraten, ferner der
ehemalige Rabbiner und derzeitige Priester Viktor von Carben sowie – Johannes
Reuchlin (1455-1522). Letzterer, ohne eigenes Zutun in den Streit verstrickt,
war gleichwohl nicht aus purem Zufall Beteiligter. Der in Pforzheim geborene
und u. a. in Stuttgart und Tübingen tätige Gelehrte, Jurist und
Richter hatte mit seinen religionsgeschichtlichen und hebraistischen Arbeiten
das Studium der hebräischen Sprache in Deutschland begründet
und unter anderem während seines Italienaufenthaltes Kontakt mit dem
berühmtesten italienischen Hebraisten gewonnen, mit Giovanni Pico
della Mirandola (1463-1494); vor allem ihm verdankte Reuchlin eine intensive
Auseinandersetzung mit der „Kabbala”, der jüdischen Geheimlehre. Reuchlins
eigene Werke von 1506, 1512 und – „De arte cabbalistica” – von 1517 waren
teils Textausgaben, teils grammatische Arbeiten oder Streitschriften gegen
die Gegner der jüdischen Literatur, ferner Einführungen in die
jüdische Gedankenwelt; und bereits 1505 hatte diese Autorität
in einer Schrift über die Frage: „warumb die Juden so lang im ellend
sind”, für Toleranz gegenüber den Juden plädiert.
Aus dem Mittelalter überkommene
antijüdische Grundströmungen und individueller Konvertitenfanatismus
auf der einen Seite und aus dem Humanismus und den „studia humanitatis”
sich bildende Liberalität auf der anderen Seite prallten im Hebraismus-
bzw. Judenbücher- oder eben auch Pfefferkorn-Reuchlin-Streit unversöhnlich
aufeinander. Ohne den Verlauf dieses Streites im einzelnen weiter zu skizzieren,
seien einige ihn zunehmend verschärfende Einzelheiten angedeutet.
Reuchlins Gutachten enthält kaum versteckt auch persönliche Angriffe
gegen Pfefferkorn und rückt kaum verhohlen dessen Konversion in ein
zweifelhaftes Licht. Der so Gescholtene repliziert mit der Schrift „Handspiegel”
(Frühjahr 1511), der attackierte Reuchlin antwortet mit einer satirischen
Duplik, „Augenspiegel” (Herbst 1511), dessen weitere Drucklegung und dessen
Vertrieb auf Betreiben der Kölner durch den Kaiser verboten wurde.
Einem „Brandspiegel” aus der Feder Pfefferkorns (Ende 1512) folgte durch
Reuchlin eine „Defensio contra calumniatores suos Colonienses” (1513: „Verteidigung
gegen die Kölner Verleumder”), in die u. a. die kleine Gemeinheit
eingestreut ist, Pfefferkorns Frau – das ist dann die Pepericornia der
„Dunkelmännerbriefe” – unterhalte unsittliche Beziehungen zu den Kölner
Dominikanern. Auf beiden Seiten ließ man nicht mehr locker. Die Kölner
bringen ein Gutachten der Sorbonne bei, der „Augenspiegel” sei zu verbrennen,
der Verfasser zum Widerruf zu zwingen; auch der Talmud müsse verbrannt
werden. Hoogstraten lädt Reuchlin im September 1513 vor sein Inquisitionsgericht
nach Mainz ein – eine ungemein schwierige, ja gefährliche Situation
für Reuchlin, der sie nur durch Appellation an den Papst für
den Augenblick zu bannen weiß. In dieses Hin und Her der verschiedenen
Angriffe, Verleumdungen, Verunglimpfungen, Verteidigungen, das sich auch
durch kaiserliche Schweigegebote und päpstlich verordnete Stillhalteabkommen
nicht stillstellen ließ, griff unterdessen eine Fraktion ein, die
sich vordem eher durch Gezänk als durch Einheit ausgezeichnet hatte
und nun vor allem durch die inquisitorische Drohung und Bedrohung einer
anerkannten Autorität der humanistischen Bewegung um diese selbst
fürchten mußte: Angesehenste Humanisten wie Melanchthon, Spalatin,
Hessus, Crotus, Pirckheimer, Peutinger, Vadianus, Herrman von dem Busche,
Hutten – auch Sebastian Brant und Sickingen – ergriffen Partei. Selbst
der englische Humanist Thomas Morus bekundete seine Sympathie. In Briefen
und Aufmunterungsschreiben bestärkten sie Johannes Reuchlin in seiner
Haltung, der diese Unterstützung zu einem weiteren Schlag gegen die
Kölner nutzen konnte.
Im März 1514 ließ Reuchlin
eine Auswahl aus dem Briefwechsel der Gesinnungsfreunde in Tübingen
unter dem Titel „Clarorum virorum epistolae” erscheinen (ausführlicher
in deutscher Übersetzung: „Briefe von berühmten Männern
auf Latein, Griechisch und Hebräisch, zu verschiedenen Zeiten abgesandt
an Johannes Reuchlin aus Pforzheim, Doktor beider Rechte”). Spätestens
mit dieser Veröffentlichung war dokumentiert – darin ist sich die
Humanismus-Forschung weitgehend einig –, daß der aus einem speziellen
Anlaß entstandene, die gelehrte Welt nördlich der Alpen in zwei
feindliche Lager spaltende, Deutschlands Humanisten und Theologen über
ein Jahrzehnt in Atem haltende Streit in einen „wissenschaftlichen Richtungsstreit”
übergegangen war3–
ein Streit allerdings, der sich bis dahin immer noch weitgehend in den
Gelehrtenstuben abspielte, ohne dadurch freilich seinen prinzipiellen Charakter
einzubüßen oder geringer erscheinen zu lassen. Indes war es
dieser prinzipielle Charakter: etwa in Fragen der Toleranz gegenüber
den Juden, in der Frage der Bücherverbrennung, in der Frage der Freiheit
der Wissenschaften – es war der prinzipielle Charakter solcher Fragen also,
der über die Grenzen einer wissenschaftsimmanenten Diskussion entschieden
hinausdrängte.
Als kleine Illustration dazu zitiere
ich einen weiteren Abschnitt aus dem Brief Huttens an Pirckheimer vom 25.
Oktober 1518:4
„Jenen mißtrauischen
falschen Freunden aber zürne ich, insofern sie sich zu diesem hochmütigen
Benehmen gegen mich berechtigt fühlten, zürne ich wegen ihre
Hochmutes, wegen ihrer hochmütigen Aufgeblasenheit und weil sie sich
zu etwas verleiten ließen, was unserer Wissenschaft unwürdig
ist. Denn wenn die Liebe zur Wissenschaft in Wahrheit bedeutet, gelehrt
zu sein, dann brauche ich darin hinter niemandem in Deutschland zurückzustehen,
besonders da ich dies unter so großen Schwierigkeiten tue. Als Beweis
dafür mag dienen, daß ich an der Verteidígung des Reuchlinschen
Streites noch zäh festhalte. Du bringst davon eine Erwähnung
in deinem Brief, indem du schreibst, daß die Theologen ihr Geschrei
gegen mich irgendwie verstärkt erhoben hätten. Noch weiß
ich nicht, ob es angebrachter ist, ihre Unverschämtheit eher zu verachten
als zornig zu ahnden und zu bestrafen; denn die Frechheit dieser verdorbenen
Gesellschaft wächst ins ungemessene. Neulich schien es (jedoch) angebracht,
vor nichts die Augen zu verschließen, nichts zu verheimlichen und
nichts zum Vorteil der Sache, die wir einmal mit solchem Eifer zu verteidigen
unternommen hatten, aus mangelndem Pflichtgefühl zu übergehen.
Ich meinerseits werde mit Eifer diese Mühe auf mich nehmen, selbst
wenn ihr nicht so denkt. Wir sehen, wie wichtig es ist, daß dieses
Unkraut ausgerottet und dieser Lolch mit der Wurzel ausgerissen wird, damit
sich die glückbringende und schon hervorsprossende Pflanze der echten
Wissenschaften erhebe und möglichst ausbreite. Ich sage: Vernichtet
und vertrieben sollen die werden, die sich der schon aufgehenden Sonne
rechter Bildung als mißgünstige Wolken entgegenstellen und die
das strahlende Licht des wahren Glanzes in seinem Aufgang verdunkeln oder
gar auslöschen und zertreten wollen. Die wahre Wissenschaft soll wieder
aufleben, die Gemeinschaft in beiden Sprachen muß uns mit Griechenland
und Italien vereinen, Deutschland muß sich Bildung aneignen, und
die Barbarei muß bis zum fernen Afrika und zum Baltischen Meer mit
Schimpf und Schande vertrieben werden.
Schon zweimal
haben die Finsterlinge ihre Pfeile unter dem Namen des Juden Pfefferkorn
auf mich abgeschossen; diese haben mich zwar nicht schmerzhaft getroffen
oder vielmehr überhaupt nicht getroffen, und ich habe die Angelegenheit
bisher nicht beachtet, aber einmal werden sie doch sehen, wen sie angegriffen
haben.”
Der Kampf gegen die „Finsterlinge”,
von dem hier Ulrich von Hutten gegenüber Pirckheimer spricht, war
freilich schon längst in die Öffentlichkeit getragen worden –
und kein anderer als Hutten selbst war daran maßgeblich beteiligt.
Mit triftigen Gründen vermutet die Forschung in ihm den Verfasser
des „Triumphus Doctoris Reuchlini”, eine Verherrlichung des Gelehrten,
die 1518 erschien.
Mitautor war Hutten nun vor allem bei
jenem Werk, das den Gelehrtenstreit zwischen den in Pfefferkorn und Reuchlin
repräsentierten Parteien der „obscuri viri” und der „clari viri” in
eine öffentliche Angelegenheit verwandelte: bei den „Epistolae obscurorum
virorum”, den „Dunkelmännerbriefen”.
c) Der Erfurter Humanistenkreis
Bevor ich auf die „Dunkelmännerbriefe”
selber und einige Aspekte parodistischer Bezugnahme in ihnen eingehe, scheint
mir angebracht zu sein, etwas über die Verfasserproblematik zu sagen.
Zunächst dies: Die Autoren der
„Epistolae obscurorum virorum” blieben – aus literaturinternen und -externen
Gründen – in völliger Anonymität. Diese muß derart
perfekt gewahrt worden sein, daß es erst der philologischen Akribie
von Walther Brecht, dem Schüler Gustav Roethes, in einer Arbeit von
1904 gelang, die Frage der Verfasserschaft zufriedenstellend zu klären:
rund 400 Jahre nach dem ganzen Geschehen! Hinter den „Epistolae” steht
nach diesen Forschungen der Erfurter Humanistenkreis. Das scheint fürs
erste erstaunlich. Gehörte die Erfurter Universität doch zu den
frühen Befürwortern der Forderungen Pfefferkorns, des Gegners
Reuchlins. Der erste Anschein indes trügt. Denn eine der hervorragendsten
humanistischen Persönlichkeiten in Deutschland, Konrad Mutianus Rufus
(1471-1526), stand vom Ausbruch des Pfefferkorn-Reuchlin-Streites an auf
der Seite des Hebraisten. Bei Alexander Hegius in Deventer im Geiste der
„devotio moderna” vorgebildet, wurde Mutianus als Augustinerchorherr in
Gotha ab 1505 zum Mittelpunkt des Erfurter Humanismus. (Wir bewegen uns,
meine Damen und Herren, in der ostmitteldeutschen Kulturlandschaft, die
uns so lange versperrt war.) Eobanus Hessus, Joachim Camerarius, Euricius
Cordus, Hutten, Georg Spalatin pflegten den Verkehr mit ihm. Mutianus muß
eine faszinierende Gelehrtenpersönlichkeit gewesen sein, dabei ungemein
öffentlichkeitsscheu und publizistischer Aktivität ganz fernstehend.
Umso erstaunlicher scheint es, daß ein Satiriker wie Crotus Rubeanus
sich in dessen Kreis bewegen konnte.
Dieser Crotus Rubeanus (1480-ca. 1539)
war, nach der Erkenntnis Walther Brechts, der Initiator und einer der Hauptverfasser
der „Epistolae obscurorum virorum”. Sohn eines kleinen Bauern in Dornheim/Thüringen,
bezog er 1498 die Universität in Erfurt, wo er mit Luther zusammen
studierte. 1505 setzte er auf der Flucht vor der Pest seine Studien in
Fulda fort und begegnete dabei Ulrich von Hutten, mit dem er bald aus dem
Kloster flüchtete, um sich in Köln in der Fakultät der freien
Künste einzuschreiben. Es folgte eine schnelle Rückkehr nach
Erfurt, wo beide in dem Kreis um Mutianus Rufus Aufnahme fanden. Während
sich Hutten bald auf seine langjährige peregrinatio academica machte,
blieb Crotus hier vier Jahre, wurde 1507 examiniert und bald danach (1509/10)
in Fulda Leiter der berühmten Klosterschule (bis etwa 1516). Hier
entstand der erste Teil der „Dunkelmännerbriefe”.
d) Die „Dunkelmännerbriefe”
Die „Epistolae obscurorum virorum”
kamen zweiteilig in drei Erscheinungsphasen heraus. Der erste Teil, 41
Briefe umfassend, erschien – ohne Verfasserangabe und ohne Hinweise auf
Erscheinungsort, Verlag oder Offizin – 1515: Mit Ausnahme des ersten Briefes,
für den die Verfasserschaft Huttens wahrscheinlich ist, gilt Crotus
Rubeanus, der in einem großen Schreiben aus dem Jahre 1514 Reuchlin
seine rückhaltlose Unterstützung angeboten hatte,5als
Autor dieses Teils. Dessen zweite Auflage von 1516 (= die 3. Ausgabe der
EOV) war um einen Anhang von sieben Briefen aus der Feder Huttens erweitert.
Der zweite Teil, 62 Briefe umfassend, wurde – wie die früheren Teile
ohne Angaben zu Verfasser, Druck und Verlag – 1517 publiziert: Als sein
Autor gilt Hutten, Hermann von dem Busche könnte beteiligt gewesen
sein.6
Geht man von den Resultaten der Forschung
zu den „Epistolae” aus, kann man ungescholten Peter Amelung aus dem Nachwort
seiner Ausgabe anführen: „Von den beiden Teilen der Dunkelmännerbriefe
ist zweifellos der erste der gelungenere, genialere”.7Dies
ist ein literarästhetisches Urteil und bedarf des Nachweises. Begründet
scheint mir daran zunächst einmal zu sein, daß Peter Amelung
im Rückgriff auf die Analysen Walther Brechts von 1904 zwischen „direkter
Satire” (im II. Teil der EOV) und „indirekter Satire” (im I. Teil) unterscheidet.
Danach ist Crotus der „Meister der indirekten Satire”, der nie „dick” auftrage
und die Typen der „obscuri viri” so zeichne, daß „ihr Grad von Ignoranz
noch glaubwürdig wirkte”. Demgegenüber zeigt sich im Anhang zu
I und im II. Teil das polemische Temperament Huttens, das den direkten
Angriff suche, wofür die gewählte Form ‚Briefe von der Gegenseite’
ungünstig sei.8Diese
Charakterisierung legt nahe, die Frage der parodistischen Bezugnahme und
Verarbeitung im Hinblick auf den ersten Teil der „Epistolae obscurorum
virorum” zu erörtern.
e) „Indirekte Satire” bzw. „mimische
Satire” oder Parodie im ersten Teil der „Dunkelmännerbriefe”
Als Ausgangspunkt einer Beschreibung
ist vorab folgendes zu bedenken: Den „Dunkelmännerbriefen” liegt,
wie Adalbert Elschenbroich gesagt hat, die geniale Idee einer „satirischen
Fiktion” zugrunde, die auf dem „Stilprinzip der Parodie” beruht.9Das
kann folgendermaßen funktionieren: Grundlage der Bezugnahme könnten
jene Briefe sein, die Reuchlin aus den Zuschriften seiner Parteigänger
während des Kampfes mit Pfefferkorn u. a. ausgewählt und zur
Unterstützung und Beglaubigung seiner Position unter dem Titel „Clarorum
virorum epistolae” an die Öffentlichkeit gebracht hat. Die Fiktion
besteht nun darin, als würden Parteigänger der Gegenseite (die
„obscuri viri”) in der gleichen Weise ihre Briefe an ihren verehrten Meister
(d. i. Ortvinus Gratius) gerichtet haben und in die Öffentlichkeit
getragen finden. Man kann die Durchführung dieser fingierten Bezugnahme
bereits am Titel der beiden Sammlungen ablesen (vgl. die Äquivalenzen
durch Unterstreichung):
-
„Clarorum virorum epistolae latinae
graecae & hebraicae variis temporibus missae ad Joannem Reuchlin
Phorcensem LL. doctorem”;
-
„Epistolae obscurorum virorum ad
venerabilem virum Magistrum Ortvinum Gratium Daventriensem Coloniae
Agrippinae bonas litteras docentem: variis et locis et temporibus
missae; ac demum in volumen coactae”.
Entsprechend ist die Fiktion auch
im Text durchgreifend wirksam: Ortwin Gratius wird als die wissenschaftliche
Hauptstütze der Kölner Theologenpartei brieflich mit einem weitverzweigten
Schüler- und Freundeskreis in Deutschland und zu Rom in Verbindung
gesetzt, der sich in wunderbarer Übereinstimmung mit der Geistesrichtung
seines verehrten Meisters befindet. Alle halten sie fest an den vom Mittelalter
überkommenen Formen und kämpfen geschlossen gegen die humanistischen
Neuerer, bekunden im Hebraismusstreit ihre Treue zu Ortwin und der kirchlichen
Autorität und verfolgen mit Spannung den ganzen Konflikt.10
Aufgrund der bisherigen Darlegungen
bin ich gezwungen, eine gedankliche Pause einzulegen, damit wir uns hier
nicht mißverstehen. Ich unterstreiche nochmals: Es handelt sich bei
den „Epistolae obscurorum virorum” um eine Fiktion! Bei ihr liegt nur dem
Modell nach eine Äquivalenz, eine Ähnlichkeitsbeziehung vor:
eine solche zwischen den „Clarorum virorum epistolae” und den „Epistolae
obscurorum virorum”. Tatsächlich jedoch stammt die Serie der „Dunkelmännerbriefe”
nicht von den Anhängern der Pfefferkorn-Hoogstraten-Gratius-Partei,
sondern ebenfalls von der treuen Gefolgschaft Reuchlins. Beide oben mit
ihren Titeln angeführte Briefsammlungen sind von ein und derselben
‚Partei’, den Humanisten. Damit ist folgendes klar: Eine wirkliche Bezugnahme
der „Dunkelmännerbriefe”, etwa in komisch herabsetzender Absicht,
auf die Briefe der „clari viri” ist selbstverständlich nicht intendiert
und auch nicht gegeben. Wäre dem so, müßten wir von Selbstparodie
sprechen. (In der Geschichte der Parodie gibt es durchaus so etwas: siehe
Fontane, dessen Selbstparodie in die Anthologie der Lyrik-Parodien von
Verweyen/Witting eingegangen ist.) Selbstparodie der Anhänger Reuchlins
würde hier aber der Sache Reuchlins selbst nur geschadet haben. Weder
liegt Selbstparodie vor noch ist überhaupt an eine Bezugnahme auf
die Briefe der „clari viri” über das Modellhafte hinaus ernsthaft
zu denken. Die „Dunkelmännerbriefe” sind somit auch gegen die Ansicht
Hans Rupprichs nicht einmal „der Form nach ein Werk der Epistolographie”.11Dieser
Einwand gegen H. Rupprich läßt sich auf überzeugende Weise
mit Michail Bachtin stützen, der bei seinen Ausführungen über
die Parodie in der Aufsatzsammlung „Die Ästhetik des Wortes” u. a.
darlegt:12
„Eine der ältesten
und am weitesten verbreiteten Formen der Abbildung des fremden direkten
Wortes ist die Parodie. Worin besteht nun die Eigenart der parodistischen
Form?
Da gibt es zum
Beispiel die parodistischen Sonette, mit denen Don Quijote
eröffnet wird. Obwohl sie unzweifelhaft als Sonette gebaut sind, können
wir sie keinesfalls zur Gattung des Sonetts rechnen. Sie sind hier Teil
des Romans; auch wenn es für sich steht, kann das parodistische Sonett
nicht einfach der Gattung des Sonetts zugerechnet werden. Die Form des
Sonetts ist im parodistischen Sonett keineswegs eine Gattung, das heißt
nicht die Form des Ganzen, sondern Gegenstand der Abbildung; das
Sonett ist hier der Held der Parodie. In der Parodie auf das Sonett
müssen wir das Sonett erkennen, seine Form, seinen spezifischen Stil,
seine Art und Weise, die Welt zu sehen, auszuwählen und zu bewerten,
seine sozusagen sonetteigene Weltanschauung. Die Parodie kann diese Besonderheiten
des Sonetts besser oder schlechter, gründlicher oder oberflächlicher
abbilden und verspotten. Aber es liegt jedenfalls kein Sonett vor, sondern
ein Bild des Sonetts.
Aus denselben
Gründen kann man das parodistische Epos Froschmäusekrieg
keineswegs zur Gattung des Poems rechnen. Es ist ein Bild des homerischen
Stils. Gerade dieser Stil ist nämlich der wahre Held dieses Werks.
Dasselbe müssen wir von Scarrons Le Virgile travestie sagen.
Man darf die ‘Sermons joyeux‘ des 15. Jahrhunderts nicht zur Gattung der
Predigt, die parodistischen ‘Pater noster‘ oder ‘Ave Maria‘ usw. nicht
zur Gattung der Gebete zählen.”
Dies scheint mir nicht nur eine zutreffende
Erkenntnis zu sein; sie läßt sich zugleich auch für unseren
Fall fruchtbar machen: Die „Dunkelmännerbriefe” gehören nicht
zur Gattung des Briefs; ihr „Held” ist der ‚Stil’ der wirklichen „obscuri
viri” der Pfefferkorn-Hoogstraten-Gratius-Partei.
Mit dieser Beobachtung bin ich nun
an jener Beschreibungs- und Argumentationsstelle angelangt, wo ich auf
die Frage nach der „indirekten Satire” bzw. „mimischen Satire” im ersten
Teil der „Dunkelmännerbriefe” zurückkommen kann. Was hat es mit
dieser Charakterisierung von W. Brecht auf sich?
Es steht wohl zunächst einmal
fest, was A. Elschenbroich formuliert hat: Durch die besondere Fiktion
„sind beide Sammlungen, die zunächst privaten, dann aber veröffentlichten
Briefe an Reuchlin und die fingierten Schreiben erfundener Personen aus
dem Umkreis der spätscholastischen Ordensgeistlichkeit, als literarische
Texte gattungsidentisch”.13Statt
von Gattungsidentität würde ich hier allerdings lieber von modellhafter
Wiedererkennbarkeit sprechen (s. das Bachtin-Argument). Aber das ist jetzt
nicht so wichtig. Entscheidend ist vielmehr, was Walther Brecht im Rückgriff
auf Friedrich Theodor Vischers „Aesthetik” und den darin explizierten Satire-Begriff
gesagt hat. Brecht ordnet danach die Dunkelmännerbriefe dem Gebiet
der „mimischen Satire” zu. Deren Eigenwilligkeit besteht darin, „sich mit
dem komischen Subjekt zu identifizieren und aus seinem Charakter heraus
zu sprechen”. Somit steht für Brecht fest, „daß die mimische
Satire nichts ist als eine zu satirischen Zwecken verwandte und, da das
satirische Ideal notwendig Karikatur ist (David Friedrich Strauß),
mehr oder minder karikierende Art der Ironie”.14Sie
kommt nach W. Brecht „in der Fiktion des Briefwechsels” zum Ausdruck:
„Wir haben es
also nicht mit der verhältnismäßig plumpen direkten, sondern
der besonders bei wiederholter Anwendung bei weitem wahrscheinlicheren
und feineren indirekten Ironie zu tun. Die Voraussetzung der indirekten
Ironie ist die anscheinende Naivität der Briefeschreiber, die ohne
die größte Naivität der Sprache nicht denkbar ist. ‚Die
Figuren stehen nicht vor dem Publikum und zählen ihre Schlechtigkeiten
her. Sondern sie glauben sich unter sich, plaudern ihre Geheimnisse aus
und werden dabei belauscht.’”15
Man könnte diese Beschreibungen
und Bestimmungen der „indirekten Satire” als „mimische Satire” so zusammenfassen:
Es ist das Spiel mit der fingierten Rolle, die kritische Arbeit des Täters
in der Sprache des Opfers, die Absicht der komischen Herabstimmung. Danach
dürfte klar sein: Hier liegt im Grunde der – um 1900 obsolete bzw.
völlig Heterogenes bezeichnende und erst um 1960 literaturwissenschaftlich
aufgewertete – Begriff „Parodie” nahe. Seine Anwendung auf die Dunkelmännerbriefe
hätte den Vorzug, nicht zu immer neuen Begriffen wie „Ironie”, „Karikatur”,
„mimische Satire”, „indirekte Ironie” usw. greifen zu müssen. Hinzu
kommt sodann, daß ein in der Parodie-Forschung herausgearbeitetes
Mittel und Verfahren, nämlich das der Übererfüllung, als
durchgängig die Texte im I. Teil der EOV bestimmendes Verfahren beschreibbar
wird. Walther Brecht hat bei seinen Analysen mit sicherem Blick folgendes
erkannt:
„Das am sichtlichsten
Karikierte ist die Sprache der Epistolae obscurorum virorum. Aber auch
hier ist die Satire weniger speziell, als man gewöhnlich glaubt, und
noch mehr lustig als bissig. Sie läßt die Obskuren ein übertriebenes
Kirchen- und Quodlibetlatein sprechen, das traditionell schlechteste und
komischste, das man zur Verfügung hatte. An ihm hatten die Pfaffen
zwar redlich mitgearbeitet, aber es war durchaus nicht für sie allein
bezeichnend, noch lag es gerade den Kölnern vorzugsweise nahe. Der
Witz und die Kunst liegen hier viel mehr in der geistreichen Art, wie diese
Sprache der Konzeption des obskuren Charakters dienstbar gemacht wird,
als etwa in der mimischen Erfindung der Sprache selbst. Es ist nicht ganz
richtig, wenn Conrad Ferdinand Meyer seinen Hutten sagen läßt:
Wir sprachen
ihr Latein – ergötzlich Spiel –
Und Briefe schrieben
wir im Klosterstil –
Das Küchenlatein
war, als roher Spaß, schon vorhanden; das Neue war die sichere Stilisierung
dieser Sprache in die bestimmte obskure Nuance, damit ihre Erhebung ins
Künstlerische; und hier liegt das literarische Verdienst.”16
Diese Beobachtungen verdienen trefflich
genannt zu werden. Sie ließen sich ohne Mühe mit Überlegungen
der Russischen Formalisten in Verbindung bringen, etwa von Jurij Tynjanov
über Parodie, und deren Nähe zur „Stilisierung”. Tynjanov versteht
nämlich – dabei allerdings nur den Typ der Übererfüllung
berücksichtigend – unter Parodie „die komisch motivierte oder betonte
Stilisierung”.17Und
so perfekt gelang dem Verfasser des I. Teils der „Dunkelmännerbriefe”
diese ‚Stilisierung’, das Überstülpen der sprachlichen Tarnkappe,
die Parodie im Sinne der ‚mimischen Satire’, daß Erasmus von Rotterdam
in einem Brief vom 5. April 1518 an Johannes Caesarius von einem Prior
in der Nähe von Brüssel, also von einem geistlichen Oberhaupt,
welchem doch auch die Kritik galt, zu berichten wußte: der habe vor
lauter Begeisterung zwanzig Exemplare der „Dunkelmännerbriefe” gekauft,
um sie an seine Freunde zu verteilen. Und zehn Jahre später kommt
Erasmus nochmals auf diesen ‚klassischen’ Fall mißglückter Kommunikation
in einem Brief vom 5. September 1528 an Martin Lypsius zurück, wobei
er noch hinzufügt, daß die EOV in England damals von den Franziskanern
und Dominikanern mit großem Beifall aufgenommen worden seien „Welcher
Dummkopf könnte dümmer sein?” setzte Erasmus hinzu.18Um
die rhetorische Frage des Erasmus zu beantworten: Nur der, der zum Schaden
noch den Spott davontragen will.
f) Der Text I,13 aus den „Dunkelmännerbriefen”
Der ‚Brief’ I,13 gehört zu den
drei ‚Briefen’ des Magisters Conrad von Zwickau (I,9; I,13; I,21), die
laut W. Brecht „das Kunstwerk im Kunstwerk” bilden:19
Briefe der Dunkelmänner I,13:20
MAGISTER CONRAD
VON ZWICKAU
grüßt
den
MAGISTER ORTVINUS.
Nachdem Ihr mir
geschrieben habt, daß Ihr Euch nicht mehr um jene Leichtfertigkeiten
bekümmert und die Weibspersonen nicht mehr lieben oder vielmehr hernehmen
wollet außer ein- bis zweimal im Monat, so kann ich mich nur wundern,
daß Ihr solches schreibt. Doch ich weiß das Gegenteil. Es befindet
sich hier ein Geselle, der kürzlich aus Köln angekommen und Euch
wohlbekannt ist und auch dort immer um Euch war. Dieser sagt, daß
ihr die Frau des Johannes Pfefferkorn beschlaft; und er versicherte mir
dies wahrheitsgemäß und beschwor es, und darum glaube ich es
auch. Ihr seid ja so gar liebenswürdig und wißt auch gute Worte
zu geben, und dazu noch kennet Ihr vollkommen die Kunst zu lieben aus dem
Ovid. Auch sagte mir ein gewisser Kaufmann, es heiße in Köln,
auch magister noster Arnold von Tongern bediene sich ihrer als Unterlage;
allein das ist nicht wahr, da ich wahrhaftig weiß, daß er noch
keusch ist und nie ein Weib berührt hat. Allein, auch wenn er es getan
hätte oder tun würde – was ich aber nicht glaube –, so wäre
er deshalb doch nicht so schlecht, weil Irren menschlich ist. Ihr schreibt
mir viel von dieser Sünde, daß es keine größere Sünde
in der Welt gebe, und führet viele Schriftstellen an. Ich weiß
wohl, daß es nicht recht ist, aber doch findet man auch in der Heiligen
Schrift, daß einige auf diese Weise gesündigt haben und gleichwohl
selig geworden sind. So Simson, der bei einer Hure schlief, und doch geriet
nachher der Geist des Herrn über ihn. Auch kann ich den Gegenbeweis
gegen Euch folgendermaßen führen: „Jeder, der nicht boshaft
ist, empfängt den Heiligen Geist; Simson aber ist nicht boshaft, ergo
empfängt er den Heiligen Geist.” Ich halte den Obersatz für richtig,
da geschrieben steht: „In eine boshafte Seele wird der Geist der Weisheit
nicht kommen”; aber der Heilige Geist ist der Geist der Weisheit: ergo
... Der Untersatz ist klar; denn wenn jene Sünde der Hurerei etwas
so gar Schlechtes wäre, so wäre der Geist des Herrn nicht über
Simson geraten, wie doch klar im Buch der Richter steht. Auch liest man
von Salomo, daß er dreihundert Königinnen und Kebsweiber ohne
Zahl gehabt habe. Er war der größte Hurer bis zu seinem Tode,
und doch kommen die Doctores allzumal zu dem Schlusse, daß er selig
geworden sei. Wie kommt Euch jetzt die Sache vor? ich bin nicht stärker
als Simson und bin nicht weiser als Salomo, und darum muß ich hie
und da eine Ergötzlichkeit haben, weil, wie die Ärzte sagen,
dies wirksam ist gegen die Melancholie. Ach, was redet Ihr auch von jenen
griesgrämigen Kirchenvätern! Sagt doch der Prediger, „es lasse
sich nichts Besseres ergreifen, als daß ein Mensch fröhlich
sei in seiner Arbeit”. Daher spreche ich mit Salomo zu meiner Seele: „Du
hast mein Herz verwundet, meine Schwester, meine Braut; du hast mein Herz
verwundet mit einem deiner Augen und mit einem Haare deines Nackens. Wie
schön sind deine Brüste, meine Schwester, meine Braut, deine
Brüste sind lieblicher als Wein usw.” Bei Gott! es ist gar angenehm,
die Weiber zu lieben, nach jenem Gedichte des Dichters Samuel:
Disce, bone
clerice, virgines amare,
Quia sciunt
dulcia oscula praestare,
Inventutem
floridam tuam conservare.
(Lerne, lieber
Kleriker, Jungfrauen zu lieben,
denn die wissen
süße Küsse zu verteilen
und so deine
Jugendblüte zu bewahren.)
Da die Liebe
auch Nächstenliebe ist, und „Gott ist die Nächstenliebe”, ergo
ist die Liebe nichts Böses. Dieses Argument widerlegt mir! Auch sagt
Salomo: „Wenn ein Mensch alles, was sein Haus enthält, für die
Liebe geben wollte, so gälte es alles nichts.” Doch lassen wir das,
und kommen wir zu etwas anderem. Ihr habt mich ersucht, Euch etwas Neues
zu berichten: so wisset denn, daß schon während der Fasten hier
große Lustbarkeiten stattfanden. Es gab ein Turnier, und der Fürst
ritt eigenhändig auf den Platz; er ritt ein schönes Tier, das
eine Schabracke über hatte, worauf ein Frauenbild in herrlichem Schmucke
gestickt war, und daneben saß ein Jüngling mit gelockten Haaren,
der ihr eins orgelte nach den Worten des Psalmisten: „Jünglinge und
Jungfrauen, Alte mit den Jungen sollen loben den Namen des Herrn.” Und
als der Fürst in die Stadt kam, führte ihn die Universitat in
großer Prozession auf den Thron; die Bürger hatten viel Bier
gebraut, tischten leckere Gerichte auf und bewirteten den Fürsten
und das ganze Hofgefolge bestens; hierauf veranstaltete man einen Ball,
und ich stand auf einem Schaugerüst, von wo aus ich zusehen konnte.
Mehr weiß ich nicht, als daß ich Euch alles Gute wünsche.
Gehabt Euch wohl im Namen des Herrn! Aus Leipzig.
Die Strategie der für satirische
und parodistische Textkonstitution unerläßlichen Komisierung
beginnt schon bei den Namen der fingierten Briefschreiber. In unserem Beispiel
ist das vielleicht noch nicht so deutlich, weil man mit seinem Namen wohl
eher eine Herkunftsbezeichnung („von” der Stadt „Zwickau”) und noch nicht
die Funktion des „sprechenden Namens” im Sinne der Untersuchung von Dieter
Lamping über die „Poetik des Personennamens” verbindet.21Man
bedenke jedoch folgendes: Dieser unser „Magister nostrandus” („nostrandus”
ist natürlich eine das korrekte „noster” küchenlateinisch verballhornende
‚Barbarei’) hat es immer mit derselben Angelegenheit zu tun, genauer noch:
er befleißigt sich ihrer. Schon in seinem ersten Brief (I,9) heißt
es: „Ihr sollt wissen, daß es mir in der Liebe gut vonstatten geht
und ich eine prächtige Unterlage habe”; und in seinem 3. Brief an
Ortwin Gratius fällt er gleich mit der Tür ins Haus (P. Amelung,
S. 50f.):
Briefe der Dunkelmänner: I,21
MAGISTER CONRADUS
VON ZWICKAU
grüßt
den
MAGISTER ORTVINUS
GRATIUS.
Fürwahr
wie Ihr mir unlängst von Eurer Liebsten geschrieben habt, daß
Ihr sie so innig liebet und auch sie Euch liebe und Euch Kränze, Sacktücher,
Gürtel und dergleichen Sachen schicke und kein Geld dafür nehme,
wie die Huren; und daß Ihr sie, wenn ihr Mann nicht zu Hause ist,
besuchet, und sie wohl damit zufrieden sei; sodann wie Ihr mir unlängst
gesagt habt, daß Ihr sie dreimal hintereinander hergenommen hättet,
und einmal stehend hinter der Türe am Eingang, nachdem Ihr gesungen
hattet: „Machet Eure Tore weit, ihr Fürsten”; wie hierauf ihr Mann
kam und Ihr Euch hinten hinaus durch den Garten davonmachtet, so will auch
ich Euch jetzt schreiben, wie es mir mit meiner Liebsten geht.
Wenn man dies bedenkt, dann liegt auch
bei dem scheinbaren Eigennamen „Zwickau” eine lexikalische Wortbedeutung
vor. An Wahrscheinlichkeit gewinnt diese Überlegung aber erst im Kontext
der Namensverwendungen in den Briefen überhaupt; dabei ist zu beobachten,
daß zur „charakterisierenden” Funktion des „sprechenden Namens” immer
auch die „ästhetische” Funktion der Komisierung hinzutritt: Thomas
Langschneider (I,1), der das allegorisierende Auslegen im mehrfachen Schriftsinn
mittelalterlicher Hermeneutik nicht unterlassen kann; Bernhard Federleser
(I,3), der nicht lange fackelt und aus geringstem Anlaß einem Poeten
eine Weinkanne an den Kopf schlägt; Johannes Kannengießer (I,4),
der mit Geschichten über Zechgelage erfreut usw.; Wilhelm Scherenschleifer
(I,15) schließlich, der kein Ende kriegt (P. Amelung, S. 39; vgl.
Verweyen/Witting: Walpurga, S. 58):
WILHELM SCHERENSCHLEIFER
grüßt
den
MAGISTER ORTVINUS.
Ich wundere mich
sehr, ehrwürdiger Mann, warum Ihr mir nicht schreibet; und doch schreibet
Ihr andern, die Euch nicht so oft schreiben, wie ich es tue. Wenn Ihr mein
Feind seid und mir nicht mehr schreiben wollt, so schreibt mir wenigstens,
warum Ihr mir nicht schreiben wollt, damit ich weiß, warum Ihr mir
nicht schreibet, da ich ja doch immer an Euch schreibe, wie ich denn auch
jetzt an Euch schreibe, obgleich ich weiß, daß Ihr mein Schreiben
nicht beantworten werdet. Gleichwohl aber bitte ich Euch von ganzem Herzen,
Ihr wollet mir doch schreiben, und wenn Ihr mir einmal geschrieben habt,
so will ich Euch zehnmal schreiben, weil ich meinen Freunden gerne schreibe,
und will mich im Schreiben üben, so daß ich zierliche Aufsätze
und Briefe schreiben kann. Ich kann mir nicht denken, was der Grund ist,
daß Ihr mir nicht schreibet.
Man könnte auf diese Weise fast
alle Namen der fingierten Briefschreiber aufschlüsseln. Dabei kann
man zugleich jenes merkwürdige Phänomen der Namensbildung mitanalysieren,
das uns etwa in dem Namen des soeben zitierten Briefschreibers begegnet:
„Guilhelmus Scherscleifferius”, so lautet der Name im Urtext. Es ist das
Phänomen der deutsch-lateinischen Mischpoesie, das Günter Hess
unter den rhetorischen Begriff der Barbarolexis gefaßt hat.22Sie
liegt – mit Heinrich Lausberg – vor, wenn „gegen die Latinitas” „im Einzelwort
als Ganzem verstoßen” wird „durch den Gebrauch unlateinischer Wortkörper
[z. B. ‚nostrandus’] und durch den Gebrauch unlateinischer Wortbedeutungen”.
Barbarolexis ist hier selbstverständlich nicht ein Zufallsprodukt
mangelhafter Sprachbeherrschung, sondern das genaue Gegenteil dessen: nämlich
das Resultat exzellenter Sprachkompetenz und somit eines der dominierenden
Mittel parodistischer Bloßlegung durch Übererfüllung schon
bestehender sprachlicher Interferenzen infolge lange miteinander in Kontakt
stehender Sprachen wie der deutschen und der lateinischen Sprache seit
dem Mittelalter; Barbarolexis ist hier ein gezielt angewendetes Verfahren
der „mimischen Satire”, eine intendierte Strategie der Herabstimmung.
Die Strategie der komisierenden Stilisierung,
der Bezugnahme und gleichzeitigen Herabsetzung erfaßt selbstverständlich
die gesamte Brief-, Epistolartechnik, etwa die Grußformeln. Dabei
stellt die Form der Adresse im vorliegenden Fall der Materialien I,13 nur
eine sehr einfache Steigerung, beispielsweise gegenüber I,4 (in P.
Amelung, S. 15), dar. Es gibt da hyperbolische Stilisierungen, die zugleich
in kontrastreiche Beziehung zu offenkundig komischen Grußformeln
gebracht werden. Beispielsweise „entbeut” Matthäus Honiglecker „seinen
Gruß” dem Magister Gratius (in I,16). In I,32 klingt das demgegenüber
so (P. Amelung, S. 76.):
Dem Mann von
unaussprechlicher Gelehrsamkeit
MAGISTER ORTVINUS
GRATIUS
entbietet
MAGISTER GINGOLFUS
LIGNIPERCUSSORIS ('Holzhacker')
tausend und
aber tausend Grüße in ungeheuchelter Liebe.
Hier liegt Stilisierung vor, und zwar
mit gewollter Ambivalenz in der Schlußwendung „in charitate non ficta”,
weil eine solche Schlußwendung im Kontext eines Briefes gerade den
Gedanken an „geheuchelte Liebe” zu wecken geeignet ist. In I,39 wird der
komische Abbruch durch Substitution hergestellt (P. Amelung, S. 93.):
NICOLAUS LUMINATORIS
sendet dem
Herrn
MAGISTER ORTVINUS
so viele
Grüße, wie in einem Jahre Mücken und Flöhe
geboren werden.
Man könnte hier die Bachtinsche
Kategorie der „Mesalliance” in Erwägung ziehen, nach der „das Geheiligte
mit dem Profanen, das Hohe mit dem Niedrigen, das Große mit dem Winzigen,
das Weise mit dem Törichten (vereinigt, vermengt und vermählt)”
wird.23Mesalliance
von Diskurswelten ist tatsächlich ein mit Vorliebe angewendetes Mittel
in der Parodie, Travestie usw., hier etwa in I,37 („so viele Grüße,
wie die Gänse Gras fressen”) oder in I,31, wo das Verfahren auf die
Spitze getrieben wird (P. Amelung, S. 73.):
Dem wohlbestallten
Bakkalaureus der Theologie
BARTHOLOMÄUS
COLP
vom Karmeliterorden
empfiehlt
sich nebst Gruß
WILLIBRORDUS
NICETI
aus dem Orden
der Wilhelmiten, Kursor in der Theologie
mit Genehmigung
des hochwürdigen Ordensgenerals.
So viele Wassertropfen
sind im Meer,
So groß
im heil‘gen Köln das Kuttenheer,
So dicht voll
Haar das Fell des Esels ist,
So viel, und
mehr noch, sei von mir gegrüßt!
Brechen wir ab und behandeln noch kurz
zwei den parodistischen Brieftext konstituierende Verfahren: nämlich
entstellendes Zitieren und leerlaufende Syllogistik. Beide Verfahren sind
am parodistischen Bedeutungsaufbau auch des vorgelegten Beispieltextes
I,13 maßgeblich beteiligt. Soll mit dem ersten Verfahren die dumpfe
Zitierwut der spätscholastischen theologischen Traktat-, Kommentar-,
Predigtliteratur gezeigt und bloßgestellt werden, so soll das zweite
Verfahren in Art der Metonymie die spätscholastische Disputations-
und Lehrmethode ad absurdum führen. Im ersteren Fall werden insbesondere
unter Berufung auf den kanonischen Text der Zeit: die Bibel, gerade gegen
den Sinn dieses, wie Bachtin es nannte, „autoritären Wortes”24(und
teils wider die Keuschheitsgelübde) verstoßende Bedürfnisse
und Verhaltensweisen gerechtfertigt; die parodistische und hier nun auch
satirische Komik besteht dabei gerade in dem Sichtbarmachen des den Sinn
des Zitierten verkehrenden Herauslösens aus dem ursprünglichen
Kontext und Integrierens in den neuen, unangemessenen Kontext.
Im zweiten Fall werden massenweise
syllogistische Schlüsse zum Medium komischer Demonstration der Unangemessenheit
des Verhältnisses von Gegenstand und ‚logistischem’ Aufwand: man vergleiche
das Beispiel in der Anthologie „Walpurga” (S. 56-57). Die Syllogismen werden
sogar zum Medium komischer Demonstration des syllogistischen Beweisverfahrens
überhaupt.
Von hier aus erlaube ich mir zwei abschließende,
aber keineswegs definitive Bemerkungen zu den „Epistolae obscurorum virorum”:
Die Faszination dieses Werkes (und ich spreche hier zunächst nur vom
ersten Teil aus der Feder des Crotus Rubeanus) besteht selbst noch in der
deutschen Übersetzung darin, daß es sich, obwohl das Werk eines
religiös gebundenen, gläubigen Humanisten, in der komisierenden
Herabsetzung erschöpft und an keiner Stelle eine eigene Botschaft
transportiert. Auch darin ist es zutiefst ein parodistisches Werk.
Die „Dunkelmännerbriefe” (genauer
zunächst ihr erster Teil von 1516) – dies meine zweite Bemerkung –
sind in der Tat, wie Peter Amelung schrieb, ein „genialer parodistischer
Abgesang des Alten im Zeichen einer neuen Zeit”.25Ihre
literarisch-artifizielle Organisation ist einmalig. Indes: sie sind keine
„isolierte Erscheinung” der Zeit:
„Ohne den satirischen
Narrenkult eines Zeitalters der Fastnachtspiele, der scherzhaften Universitätsdisputationen,
eines Erasmus, Brant und Murner sind auch die Obscuri nicht möglich.
Vorboten der satirischen Mimik fehlen nicht. Wir hören in den Fastnachtspielen
die Narren sich selbst schildern, oder sehen, wie sie sich durch ihr Handeln
lächerlich machen; im Narrenschiff charakterisiert mitunter der Narr
sich selbst; Moria besteigt in eigner Person das Katheder; in seinen Überschriften
läßt Murner die bildlich dargestellten Narren reden: das alles
sind erste Keime. Aber auch von der Verbindung mimischer Satire mit der
Briefform ist wenigstens ein Beispiel vorhanden. Es befindet sich in Jakob
Hartliebs Scherzrede De fide meretricum, datiert Straßburg 1499,
gehalten ums Jahr 1500”26
- und zitiert im 13. Brief des ersten
Teils der „Dunkelmännerbriefe”.
g) Literarische Gegenüberstellungen:
Kontrafakturen in Reformation und Späthumanismus
Ich knüpfe nochmals an die letzten
Bemerkungen von Walther Brecht an, in denen ein wichtiger Teil des literarischen
Kontextes der „Dunkelmännerbriefe” in Erinnerung gerufen ist – etwa
das „Enkomion morias” („Lob der Torheit”) des Erasmus von Rotterdam oder
Sebastian Brants „Narrenschiff”; auch Murners Satiren und polemische Schriften
gegen Martin Luther, zudem die Narrenfeste und der Fastnachtskult: „Alles
Erdenkbare, Weltliches und Kirchliches”, so sei Friedrich Ranke angeführt,
„wird damals parodiert”. Vom Tagelied bis zum Vaterunser! Was „nur immer
eine feste Form mitbringt, muß dem Parodisten als Gefäß
für seinen Spott und seine Laune dienen”.27Nachdem
ich mit den „Epistolae obscurorum virorum” in der Tat ein herausragendes
Beispiel humanistischer „Parodiendichtung” vorgeführt habe, scheint
es mir nun angebracht zu sein, die Aussage F. Rankes zumindest mit einigen
Paradigmen zu überprüfen.
Bei dem ersten der von mir ausgewählten
Beispiele handelt es sich um einen Text in einer ungedruckten Briefsammlung
von ca. 1530; sie war im Besitz des Ulmer Arztes und Lutheraners Wolfgang
Rychard und enthält mehrfach eingestreute Texte zum Zeitgeschehen
der frühen Phase der Reformation. Der komisch-kritische Charakter
des Textes ist dabei kaum von der Hand zu weisen, stellt ihn also in die
Tradition der Komik-Literatur:
Pater noster,
qui es in caelis: sanctificetur nomen tuum: adveniat regnum tuum: fiat
voluntas tua: sicut in caelo et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis
hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus
nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.
Der Nachfolgetext mit Übersetzung
des Nachfolgetextes von ca. 1530 [vgl. Verweyen/Witting, Kontrafaktur,
S. 247] lautet:
Des bapst
pater noster
Papa noster
qui es in Rhoma: amplificetur nomen tuum: adueniat fauor tuus: fiat symonia
tua: sicut in vrbe et in orbe: pinguia beneficia da nobis hodie. Et dimitte
nobis peccata nostra: sicut et nos tibi mittimus pecunias nostras. Et ne
nos inducas in excommunicationem. Sed libera nos a manu laicorum. Amen.
Hanc orationem papisticam continue omnis creatura Antichristi.
Heiliger Vater
unser, der du bist in Rom, vergrößert werde dein Name, zu uns
komme deine Gunst, dein Ämterkauf gedeihe wie in der Stadt so auf
dem Erdkreis: fette Pfründen gib uns heute. Und vergib uns unsere
Sünden wie auch wir dir geben unser Geld. Und führe uns nicht
in die Exkommunikation, sondern befreie uns von der Hand der Laien. Amen.
Dieses papistische Gebet betet beständig jedes Geschöpf des Antichrist.
Bei einem etwas genaueren Vergleich
der beiden lateinischen Textfassungen läßt sich leicht feststellen,
daß sich die Adaption auf fast allen Ebenen an die Vorlage hält;
folglich ergeben sich erhebliche Übereinstimmungen zwischen Prä-
und Nachfolgetext: beispielsweise im lexikalischen Bereich, im Duktus des
Gebets, in der Beibehaltung der Bitten und Bitt-Typik, selbst im Phonembereich
(z. B. Pa-pa/Pa-ter; ampl-ificetur/sanct-ificetur). Auf der semantisch-thematischen
Ebene weicht der Nachfolgetext jedoch erheblich ab; er thematisiert zur
Vorlage relativ externe, wenngleich nicht ohne Beziehung bestehende Sachverhalte
wie etwa das Pfründenwesen der Zeit („pinguia beneficia”) oder auch
die „Gravamina”-Klage, Rom – und zwar das „papistische” Rom – sauge Deutschland
aus („mittimus pecunias nostras”). Sind nun aber die Abweichungen (im Sinne
der Begriffsexplikationen) gegen den Ausgangstext gerichtet? Die Antwort
wird durch einen Zusatz erleichtert, der mit der Adaption überliefert
ist:
„Hanc orationem
papisticam continue omnis creatura Antichristi.”
'Dieses papistische
Gebet betet beständig jedes Geschöpf des Antichrist.'
Die Intention des lutherischen Verfassers
ist es offenkundig nicht, den Anspruch der Vorlage, des „Vaterunser”, zu
relativieren oder abzuwehren, kurz „herabzusetzen” – im Gegenteil. Bedeutung
und Anspruch des Paternoster, ein kanonischer und sakrosankter Text der
Bibel und für die ganze Christenheit, werden vielmehr unablässig
als Grundlage und Maßstab der Kritik insinuiert, nicht zuletzt auch
als „positives Gegenbild” signalisiert, an dem gemessen die Zustände
der Papstkirche als verrottet zum Vorschein kommen sollen. Nicht das das
„Ideal” formulierende „Paternoster”, sondern die zur Verwirklichung des
„Ideals” aufrufende, diesem aber selbst nicht genügende kirchliche
Institution ist Gegenstand der Kritik. Zwei Schreibweisen überlagern
und verstärken sich also wechselseitig in der Adaption: Kontrafaktur
und Satire. Dabei werden im Falle der Kontrafaktur hier die von der Vorlage
gesetzten Ansprüche und Normen anerkannt, ihre Vertextungsstrategien
übernommen und ihr kommunikatives Potential ausgenutzt. Wir sprechen
bei solchen Texten – und damit ergänzen wir erneut das terminologische
Repertoire – von „satirischer Kontrafaktur” (und gegen F. Ranke u. viele
andere, wie z. B. Lutz Röhrich, nicht mehr von ‚Parodie’).28Und
gerade sie, die satirische Kontrafaktur, ist es, die nicht zuletzt in Zeiten
konfessioneller und/oder ideologischer Polemik als Mittel der Auseinandersetzung
den Vorzug erhält, zudem in reformbewegten Zeiten Konjunktur hat,
wie es das Silbermarken-Evangelium belegt.
Ein zweites Beispiel: 1612 – also auf
dem Höhepunkt des Späthumanismus – publizierte der Praeceptor
am Heidelberger Gymnasium, Johannes Adam, eine lateinische Ode mit folgendem
Titel (hier gleich in deutscher Übersetzung):29
AN DIE FREUNDE,
DIE HOCHBERÜHMTEN
PROFESSOREN
DER HEIDELBERGER HOCHSCHULE.
ALS SEINEM SOHN
THOMAS-LUDOLF DER ERSTE
LORBEER IN DER
PHILOSOPHIE VERLIEHEN WURDE.
(Der lateinische Text dieser Ode zusammen
mit der deutschen Übersetzung von Wilhelm Kühlmann findet sich
in einer Anthologie humanistischer Dichtung der ehemaligen Kurpfalz, die
Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand herausgegeben haben: in „Parnassus
Palatinus” von 1989.) Beim Vorlesen des Gedichttitels habe ich mich gezielt
eines Zitationsfehlers schuldig gemacht; denn vollständig lautet der
Titel: „Aus Horaz, 3. Buch, 2. Ode”!
Johannes Adam verfertigte also eine
Ode unter Bezug auf eine Vorlage – nicht irgendeine Vorlage, sondern die
berühmte Zweite Römerode des Horaz – und er nannte, mit einer
für moderne Literaturproduktion ziemlich unverständlichen Unbefangenheit,
sogar ausdrücklich diese seine Vorlage. Mehr noch, die Oden-Adaption
erschien in der Gedichtsammlung mit dem sprechenden Titel „Horatianarum
parodiarum Liber Secundus” („Zweites Buch der Horaz-Parodien”). Ist die
Oden-Adaption demnach ‚Parodie’ im Sinne unserer terminologischen Vorschläge
und Überlegungen zu nennen? Wir dürfen diese Frage mit guten
Gründen verneinen, indem wir auf erstklassige Kenner der Überlieferungen
und Traditionen verweisen können, in denen diese Oden-Adaption – diese
„Parodia Horatiana” sich nennende Imitation – steht: auf Eckart Schäfer
etwa oder auf Dieter Mertens.30
Interessanterweise hat E. Schäfer
in der grundlegenden Untersuchung von 1976 über den „Deutschen Horaz”
im Zusammenhang mit solchen Textbildungen wie der „Parodia Horatiana” von
der Realisierung des schon in der lateinischen Antike entwickelten „Kontrafakturprinzips”
gesprochen. Das ist hier im Hinblick auf die beiden vierten Strophen aus
dem Horazischen Original und der Adamschen Adaption leicht einzusehen:
Horaz: Ode 3,2,4
Dulce et decorum
est pro patria mori:
Mors et fugacem
persequitur virum,
Nec parcit inbellis
iuventae
Poplitibus timidoque
tergo.
Süß
ist‘s und ruhmvoll, stirbt man für‘s Vaterland.
Des Todes Arm
erfasset den Flüchtgen doch,
Erbarmt sich
nicht der scheuen Jugend,
Schont nicht
die Knie, nicht den feigen Rücken.
Johannes Adam: Ode „Ad amicos”, Str.
4
GRANDE est paratum
litterulis decus!
Hoc et potentem
nobilitat virum,
Nec cedit insulsi
cerebri
Divitibus, tumidoque
vulgo.
Eine große
Ehre ist der bescheidenen Wissenschaft bereitet!
Sie adelt auch
den mächtigen Mann und weicht nicht vor
dem Reichtum
eines witzlosen Kopfes und vor der törichten
Menge.
Dieter Mertens hat überzeugend
analysiert, worin die Äquivalenzen zwischen Vorlage und Nachfolgetext
bestehen, „so daß [auch] die Abwandlungen engstens auf das imitierte
Vorbild bezogen” erscheinen.31Das
gilt selbst für den wichtigsten thematischen Austausch: die humanistische
„doctrina” („Bildung”) tritt an die Stelle der altrömischen „virtus”
(„Mannhaftigkeit”). Diese Substitution ist allerdings in gar keinem Fall
eine gegen die Vorlage gerichtete Änderungsoperation. Der Text J.
Adams erweist sich als ein gelehrtes Gedicht über die Gelehrsamkeit,
die auf der Kenntnis der klassischen literarischen Vorbilder wie eben Horaz
beruht und sich folgerichtig in ihrer „imitatio” realisiert. Der Text gehört
somit in die humanistische Tradition der Aneignungsformen klassischer Vorbilder.
Deren historische Eigenwilligkeit besteht nicht in der innovativen Überwindung
des Vorbildes, sondern gerade in der größtmöglichen Annäherung
an dieses. In dem Gelingen der Annäherung und Nacheiferung – von „imitatio”
und „aemulatio” – liegt das Selbstwertgefühl des späthumanistischen
Autors.32Dieses
verträgt sich nun aber nicht mit dem Selbstverständnis des eingangs
der Vorlesung gegebenen Explikationsvorschlages zu ‚Parodie’. Parodie im
zuvor definierten Sinn zielt ja gerade auf Dekonstruktion und Depotenzierung
des Vorbildes ab. Erneut ist also der Fall der Kontrafaktur gegeben. Damit
geben wir die Tradition der „Parodia Horatiana” und mit ihr die Tradition
der „parodia seria” (der „ernsten Parodie”) bzw. der „parodia sacra” (hier
z. B. der reichen Produktion Jacob Baldes und vieler seiner jesuitischen
Ordensbrüder des 17. und 18. Jahrhunderts33)
in den Bereich von 'Kontrafaktur'.
Ein drittes Beispiel schließlich,
im übrigen ein Beispiel, das zeigen kann, worin die etwa von Walther
Brecht für die „Dunkelmännerbriefe” beobachtete artifizielle
Kompetenz fundiert ist: in der systematisch geschulten „imitatio”. Warum?
In der seit der Spätantike reichen Tradition der Centonen-Poesie haben
sich im Laufe des 16. Jahrhunderts die Brüder Laelius und Julius Capilupus
besonders hervorgetan. Julius legte dabei einen artifiziellen Versuch besonderer
Art vor, er formte das „Paternoster” in Verse Vergils um:
Julius Capilupus: Paternoster34
Salve, sancte
parens, summi regnator Olympi,
Quem primi colimus,
coeloque ereboque potentem,
Semper honos,
nomenque tuum, tua magna voluntas,
Imperium sine
fine tuum, laudesque manebunt.
Dona laboratae
Cereris, noctesque diesque
Da deinde, auxilioque
leves quaecumque labori
Debita erant
nostro; jam fas est parcere genti;
Nos tua progenies,
atque haec exempla secutus,
Atque idem casus,
miseris succurrere disco.
Nec segnem patiêre
animum tentare precando;
Eripe me his,
invicte, malis; haec omnia firma.
Es ist nachweisbar, daß die einzelne
Zeile des Nachfolgetextes jeweils aus zwei Halbversen gebildet ist, die
durchgehend verschiedenen Versen der „Aeneis” und der „Georgica” Vergils
entlehnt sind. Dabei sind die Entlehnungen im Sinne der Centonen-Poetik
der Tradition gleichsam ‚fugenlos’ und fast ohne verändernde Eingriffe
in die Vorlagen aneinandergefügt. Aber: Daß es sich bei dieser
literaturtechnischen Rafinesse keinesfalls um eine gegen das „Paternoster”
gerichtete Operation, also keinesfalls um eine Parodie (im definierten
Sinne) handelt, müßte klar sein! Vielmehr besteht hier im Zeitalter
des späteren Humanismus das Anliegen darin, antike Bildungsüberlieferung
und christlich-biblische Spiritualität miteinander zu versöhnen.
Herbert Hunger, der Nestor der Byzantinistik, hat einen solchen Vorgang
„mit den sekundären Gold- und Silberrahmungen vieler Ikonen der orthodoxen
Welt” verglichen – ein unglaublich gelungener Vergleich: das „Paternoster”
wäre dann die „Ikone”, die Vergilverse bildeten die „Gold- und Silberrahmung”.
Sollte diese in vieler Hinsicht faszinierende Vergleichsidee zutreffen
– und warum eigentlich nicht! –, wäre die Funktion der ‚kostbaren
Rahmung’ biblischer Simplizität und Prosa schlüssig erklärt.
Von ‚Parodie’ indes kann erneut nicht die Rede sein; Gunther Witting und
ich sind daher der Ansicht, man müsse hier von „Cento-Kontrafaktur”
sprechen.35Daß
es auch die Variante „Cento-Parodie” gibt, davon wird später zu sprechen
sein.
1
Dieter Mertens: Geschichte der politischen Ideen im Mittelalter, in: Fenske/Mertens/Reinhard/Rosen:
Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart, Königstein/Ts.
1981, S. 119-200, hier S. 121.
2
Winfried Trillitzsch (Hrsg.): Der deutsche Renaissancehumanismus. Abriß
und Auswahl, Leipzig (Reclam) 1981, S. 450-480, hier S. 479.
3
Ich folge in diesem Teilkapitel bis in einzelne Formulierungen hinein den
zusammenfassenden Darstellungen in: Briefe der Dunkelmänner. Vollständige
Ausgabe, übers. v. Wilhelm Binder, revidiert, mit Anm. u. e. Nachw.
versehen v. Peter Amelung, München 1964 (= Die Fundgrube: 5), S. 261-272:
"Nachwort"; Joachim G. Boeckh u.a.: Geschichte der deutschen Literatur
von 1480 bis 1600, Berlin (Ost) 1960 (= Geschichte der deutschen Literatur:
IV), S. 178-184; Hans Rupprich: Die deutsche Literatur vom späten
Mittelalter bis zum Barock, München 1970 (= Geschichte der deutschen
Literatur: IV), Erster Teil: 1370-1520, S. 709-720.
4
Trillitzsch, Der deutsche Renaissancehumanismus, S. 452-453.
5
Vgl. Walther Brecht: Die Verfasser der "Epistolae obscurorum virorum",
Straßburg 1904, S. 13.
6
Vgl. Brecht: Die Verfasser, S. 376ff.: "Chronologische Übersicht".
7
Amelung: Briefe der Dunkelmänner, S. 269.
8
Vgl. Amelung: Briefe der Dunkelmänner, S. 270.
9
Adalbert Elschenbroich (Hrsg.): Humanismus und Reformation. Deutsche Literatur
im 16. Jahrhundert, München o.J., hier S. 1171.
10
Vgl. dazu Rupprich, Die deutsche Literatur, S. 712f.
11
Vgl. Rupprich: Die deutsche Literatur, S. 712.
12
Michail M. Bachtin: Die Ästhetik des Wortes, hrsg. u. eingel. v. Rainer
Grübel (aus dem Russischen übers. v. R. Grübel u. Sabine
Reese), Frankfurt/M. 1979 (= edition suhrkamp: 967), S. 310f.
13
Elschenbroich: Humanismus und Reformation, S. 1171.
14
Vgl. Brecht: Die Verfasser, S. 125.
15
Brecht: Die Verfasser, S. 126; Brecht zitiert Wilhelm Scherer: Geschichte
der Deutschen Literatur, Berlin hier 151922, S. 273f.
16
Brecht: Die Verfasser, S. VIII-IX.
17
Jurij Tynjanov: Dostoevskij und Gogol‘ (Zur Theorie der Parodie), in: Jurij
Striedter (Hrsg.): Russischer Formalismus, München 1971 (= UTB: 40),
S. 301ff., hier S. 307.
18
Vgl. Amelung: Briefe der Dunkelmänner, S. 265.
19
Brecht: Die Verfasser, S. 87.
20
Vgl. Amelung: Briefe der Dunkelmänner, S. 34-37; s. Verweyen/Witting:
Walpurga, S. 56-58.
21
Dieter Lamping: Der Name in der Erzählung. Zur Poetik des Personennamens,
Bonn 1983, S. 42f.
22
Günter Hess: Deutsch-lateinische Narrenzunft, München 1971, S.
175ff.
23
Bachtin: Der Karneval und die Karnevalisierung der Literatur, in: ders.:
Literatur und Karneval, S. 47ff., hier S. 49.
24
Bachtin: Die Ästhetik des Wortes, S. 229.
25
Vgl. Amelung: Briefe der Dunkelmänner, S. 270.
26
Brecht: Die Verfasser, S. 47.
27
Friedrich Ranke: Zum Formwillen und Lebensgefühl in der deutschen
Dichtung des späten Mittelalters, in: Deutsche Vierteljahrsschrift
18, 1940, S. 307-327, hier S. 314.
28
Vgl. Verweyen/Witting: Die Parodie, 1979, S. 138ff.; ferner Verweyen/Witting:
Die Kontrafaktur, 1987, S. 103ff. Entsprechend ist Kritik zu üben
an dem Gebrauch von ‘Parodie‘ bei Lutz Röhrich: Gebärde - Metapher
- Parodie. Studien zur Sprache und Volksdichtung, Düsseldorf 1967,
S. 115ff.
29
Parnassus Palatinus. Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten
Kurpfalz. Lat.-dt., hrsg. v. Wilhelm Kühlmann u. Hermann Wiegand,
Heidelberg 1989, S. 112/113-114/115.
30
Eckart Schäfer: Deutscher Horaz - Conrad Celtis, Georg Fabricius,
Paul Melissus, Jacob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen
Dichtung Deutschlands, Wiesbaden 1976; Dieter Mertens: Zu Heidelberger
Dichtern von Schede bis Zincgref, in: Zeitschrift für deutsches Altertum
103, 1974, S. 200-241.
31
Mertens: Zu Heidelberger Dichtern, S. 215f.
32
Mertens: Zu Heidelberger Dichtern, S. 215f.
33
Schäfer: Deutscher Horaz: das Jacob Balde-Kapitel und darüber
hinaus die mittlerweile reiche Forschungsliteratur dazu.
34
Theodor Verweyen u. Gunther Witting: Der Cento. Eine Form der Intertextualität
von der Zitatmontage zur Parodie, in: Euphorion 87, 1993, S. 1-27, hier
S. 15f. Die Darlegungen in diesem Aufsatz fußen auf Untersuchungen
der 70er Jahre im Zusammenhang mit den Monographien zur Parodie in der
Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (vgl. VW: Die Parodie, 1979) und zur
Kontrafaktur in der "Konstanzer Bibliothek" (vgl. VW: Die Kontrafaktur,
1987) sowie auf Untersuchungen von D. Mertens und Th. Verweyen zur Form
des Emblem-Kommentars in Julius Wilhelm Zincgrefs "Emblemata ethico-politica"
(vgl. die Ausgabe von D. Mertens u. Th. Verweyen). Es ist daher völlig
unverständlich, wie Christoph Hoch allen Ernstes glaubt behaupten
zu dürfen, Verweyens und Wittings Analysen stützten sich "auf
eine gänzlich ungenügende Textbasis": vgl. C. Hoch: Apollo Centonarius.
Studien und Texte zur Centodichtung der italienischen Renaissance, Tübingen
1997 (= Romanica et Comparatistica: 26), S. 9f. C. Hoch ignoriert, so umfassend
es nur eben geht, alle unsere Verweisungen auf weitere Texte im Zusammenhang
unserer paradigmatischen Analysen, übergeht unsere Anthologien und
Textanhänge und erkennt offensichtlich nicht den systematischen Ansatz
paradigmatischer Analyse. Nun, Hochs Ignoranz hindert den Autor freilich
nicht, unsere systematischen Unterscheidungen zu "Cento", "Parodie", "Kontrafaktur",
"Pastiche" und nicht zuletzt zu "Cento-Parodie" und "Cento-Kontrafaktur"
ohne irgendeinen speziellen Herkunftsbeleg zu übernehmen (vgl. Hoch:
Apollo Centonarius, 1997, S. 15f. mit Verweyen/Witting: Der Cento, 1993,
S. 21f.). Nicht ohne ein gewisses Vergnügen verweise ich auf VW: Art.
"Cento", in RL3, Bd. 1 von 1997.
35
Vgl. VW: Der Cento, 1993, S. 21f.
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